Wir Deutschen tragen durch zwei geführte Weltkriegen eine große Verantwortung. Niemals sollte man daher so was wie winziger Weltkrieg auch nur denken.
Verantwortungsvolles Handeln
Wie es um verantwortungsvolles Handeln dieser Tage bestelltest, ließ sich gestern ganz gut erkennen. Wenn 20.000 Menschen in Berlin gegen angebliche Repressionen durch Corona demonstrieren, den Begriff Freiheit im Mund führen, ohne dabei Rücksicht auf die Gesundheit anderer zu nehmen, ist ein neuer Tiefpunkt seit Beginn der Corona-Pandemie in Deutschland erreicht.
Manchmal ist es gut, nicht am selben Tag über den Vorfall zu schreiben. Hätte ich gestern etwas darüber getippt, wäre viel Zorn eingeflossen in meine Sätze. Möglicherweise auch Gedanken, vor denen ich selber heute, einen Tag später zurückschrecken. Vorstellungen, in denen Wasserwerfer und Tränengas vorkommen, verlieren sich zum Glück im Dunkel der hinter mir liegenden Nacht.
Am besten auf den Punkt gebracht hat der Postillion die „Veranstaltung“ in Berlin: „Tausende demonstrieren in Berlin für ihr Recht auf eine zweite Welle.“
Abstand, Anstand — unanständig. Deren Verhalten wird möglicherweise mit dazu beitragen, dass es eine zweite Welle geben wird. Möglicherweise sogar früher, als bisher angenommen. Gleichzeitig erscheint es weniger wahrscheinlich, dass es in absehbarer Zukunft einen wirkungsvollen Impfstoff geben wird.
Wahnsinn zeigt sich leider auch an anderer Stelle, nämlich im Bereich der Brettspiele. Als ich vom Spiel Winziger Weltkrieg hörte, war ich erst mal fassungslos.
Kein Winziger Weltkrieg
Über die enorme Schuld, die wir Deutsche mit dem Anzetteln von zwei Weltkriegen auf uns geladen haben, brauchen wir nicht zu diskutieren. Aus dieser Schuld heraus ergibt sich auch für nachfolgende Generationen eine große Verantwortung. Sie erfordert zu dem ein Bewusstsein für die Entwicklung, ein Blick auf Tendenzen. Dabei ist die beständige Auseinandersetzung mit den Ursachen wichtig. Verharmlosung jeglicher Form, auch etwa die Bezeichnung eines Spiels als Winziger Weltkrieg sind in jedem Fall zu vermeiden.
Im Laufe meines Lebens habe ich mich immer wieder mit beiden Weltkriegen beschäftigt. In den letzten Jahren intensiver mit dem Ersten Weltkrieg, da meiner Meinung nach viele danach folgende Auseinandersetzungen auf dem beruhen, was in und nach dem Ersten Weltkrieg passierte. Wenn ich mich der Thematik in Form von Brettspielen nähere, dann ist mir durchaus bewusst, wie heikel das mitunter sein kann.
Viele der Konfliktsimulationen, die sich bei mir als Brettspiel im Regal befinden, stammen von US-amerikanischen Verlagen. Das hat Gründen. Es ist für mich immer auch eine Frage, wer sich mit welcher Intention dem Thema zuwendet.
Krieg als Spiel
In meiner Sammlung befindet sich auch das recht abstrakte Spiel „Blitzkrieg“ von Paolo Mori. Der Titel ist grenzwertig, auch für einen italienischen Spieleautor. Das Spiel selber war bisher nur in englischer Sprache verfügbar. Jetzt hat ein deutscher Verlag eine Übersetzung angekündigt. Als Titel für die deutsche Ausgabe wurde die Bezeichnung Winziger Weltkrieg gewählt — wohl auch, damit es in das Verlagsprogramm passt.
Ganz ehrlich: Meiner Meinung nach ist das untragbar. Dazu noch der Untertitel „Der Zweite Weltkrieg in 20 Minuten“. Angesichts von über 70 Millionen Toten ist das einfach nur entsetzlich. Es passt aber in den aktuellen Trend der Leugnung und Verharmlosung (siehe weiter oben). Für mich hat sich der entsprechende Verlag endgültig dauerhaft disqualifiziert.