Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Hans-Jochen Vogel verstorben

Sich für die Bürgerinnen und Bürger noch mit Herzblut einsetzende Politiker scheinen seltene geworden zu sein. Die Vorbilder aus meiner Jugend sterben aus.

Am vergangenen Wochenende verstarb im Alter von 94 Jahren Hans-Jochen Vogel. Der ehemalige SPD-Politiker könnte für viele ein Vorbild sein.

Gewissen der SPD

Meine zunehmende Entfremdung von der SPD setzte eigentlich schon vor Andrea Nahles als Parteivorsitzende ein. Hier im Blog lassen sich viele Spuren dieses Prozesses finden. Zunehmend sah ich bei den Sozialdemokraten wichtige Eigenschaften schwinden. Eigenschaften, die aus meinem Verständnis heraus selbstverständlich bei der SPD sein sollten und die Basis für ihre Existenzberechtigung bilden.

Über Hartz IV kann man lange und intensiv streiten. Möglicherweise ist es tatsächlich so, dass es eine wirtschaftliche Notwendigkeit für die Einführung gab. Mir fehlte aber immer die menschliche Komponente dabei. Sozial ist eben nicht, was Arbeit schafft. Sozial ist, was das Gewissen — sofern man eins hat — als Leitlinie vorgibt.

Symbolpolitik dient leidlich dazu, das Gewissen zu beruhigen, ein paar Wählerstimmen einzufangen und vor allem seine Schäfchen ins Trockne zu bringen. So machen Sozialdemokraten sind Posten lieber als Positionen. Gut erkennbar am Verhalten nach dem Ausscheiden aus der aktiven Politik. Was sich ehemalige Genossen da zum Teil geleistet haben, ist widerlich.

Um so heller strahlen jedoch die Ausnahmeerscheinungen. Eine davon war Hans-Jochen Vogel. Jemand, der zu seiner aktiven Zeit lieber zu Fuß lief als einen Dienstwagen in Anspruch zu nehmen.

Hans-Jochen Vogel wir der SPD fehlen

Hans-Jochen Vogel wir der SPD fehlen

Nachruf auf Hans-Jochen Vogel

In der Süddeutschen Zeitung von heute gibt es auf Seite drei eine sehr schöne Würdigung von Hans-Jochen Vogel, geschrieben von Heribert Prantl. Ein Jurist schreibt einen Nachruf für einen anderen Juristen. Für einen SPD-Politiker, der mit gerade mal 34 Jahren Oberbürgermeister von München wurde. Der viel für die Stadt tat, unter anderem sich dafür einsetzte, dass dort 1972 die Olympischen Spiele stattfanden. Jene Spiele, die so unaufgeregt und froh begangen und so schrecklich endeten.

Für mich persönlich war Hans-Jochen Vogel schon einer der Senioren, als ich zum ersten Mal in die Partei eintrat. Beim zweiten Mal hatte ich er sich bereits komplett aus der Politik zurückgezogen. Gerade das aber qualifizierte ihn. Er blieb der Gesellschaft als Gewissen erhalten. Eines seiner Anliegen im Alter bestand darin, sich mit den steigenden Preisen für Bauland zu beschäftigen. Die Auswüchse der Bodenspekulationen trieben den ehemaligen SPD-Politiker um. Gerade bei diesem Thema wird seine Stimme fehlen.

Wohnen ist in Deutschland eine verdammt teurere Angelegenheit. Insbesondere in Ballungsgebieten. Der Artikel 13 des Grundgesetzes ist schön und gut, hilft aber nicht, wenn man sich keine Wohnung mehr leisten kann. Eingreifen müsste der Staat daher, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen — nicht nur in der Peripherie.

Hans-Jochen Vogel sah eine ganze Reihe von Möglichkeiten, die Preise auf einem bezahlbaren Niveau zu halten. In Praxis wurde selbst unter Sozialdemokraten städtisches Tafelsilber wie kommunaler Baugrund oder Wohnungsbaugesellschaften verscherbelt.

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