Dinner for one bei Brettspielern nennt sich „Preisverleihung Spiel des Jahres“. Bei nicht wenigen löst der rote Pöppel einen Abwehrreflex aus.
Heiß begehrter Preis
Seit gestern ist die Katze aus dem Sack beziehungsweise bekannt, wer die Auszeichnung „Spiel des Jahres“ gewonnen hat. Den begehrten roten Pöppel erhält „Pictures“ vom PD-Verlag. Es stammt vom Autorenpaar Daniela und Christian Stöhr. Der Preis für das Kennerspiel des Jahres ging an „Die Crew“ von Kosmos. Bevor ich zum Preis selber etwas verleihen, unterdrücke ich meinen Abwehrreflex noch für ein paar Minuten. Zu einem der Preisträger gibt es nämlich eine kleine Geschichte zu erzählen. Eine tragische, wenn man es genau nimmt.
Als „Die Crew“ im letzten Jahr erschien, nahm ich davon keine Notiz. In der Masse der Neuheiten ging es unter. Ein kleines Spiel, dazu noch ein Stichspiel — nichts, was mein Interesse weckte. Im Dezember vergangenen Jahres ergab sich dann die Gelegenheit, dass Spiel kennenzulernen. Tja, bei mir war es dann Liebe auf den ersten Blick. Ein wirklich rund um gelangendes kooperatives Stichspiel. Kein Gramm Fett zu viel, wirklich genial. Gerade alte Hasen in Bezug auf Stichspiele müssen hier gehörig umdenken. Leider war „Die Crew“ zu dem Zeitpunkt bereits ausverkauft. Eine zweite Auflage wurde angekündigt.
Kurz vor dem Lockdown konnte ich dann „Die Crew“ kaufen. Mindesten drei, besser vier Spiele braucht man zum spielen. So was nennt sich dann wohl tragisch, denn das Spiel liegt bei uns noch eingeschweißt im Regal. Möglicherweise löst die Preisverleihung ja jetzt einen Hype aus, sodass wir dann in Emden das Spiel auf den Tisch bringen können. Aber genug der freundlichen Worte.
Roter Hals trifft Abwehrreflex
Laut einem unausgesprochenen Geheimnis ist die Farbe Pöpples „Spiel des Jahres“ nicht zufällig gewählt worden. Kritiker der Kritiker bekommen nämlich regelmäßig einen dicken roten Hals. Regelmäßig hyperventilieren sie, wenn der Preisträger verkündet wird. Dabei setzt der Abwehrreflex bereits mit der der Bekanntgabe der Nominierungsliste ein.
Besonders lustig ist es mittlerweile, dass der Abwehrreflex von Vielspielern ebenfalls einen Abwehrreflex bei denjenigen auslöst, die die Ehre der Auszeichnung verteidigen wollen. Bester Spruch: Der Preis richtet sich nicht an Vielspieler, sondern soll neue Zielgruppen erschließen. Korrekt müsste es also eigentlich „Nicht-Spieler“ des Jahres Preis heißen. Auch bei längerem Nachdenken fällt mir kein vergleichbarer Preis mit so einer Rechtfertigung ein. Stellen wir uns mal vor, der Deutsche Buchpreis würde ähnlich vergeben werden — Moment, das möchte ich mir lieber nicht vorstellen.
Meine Frau meinte heute Morgen, dass es ein merkwürdiges Signal sei, wenn man sich explizit nicht an Spieler und Vielspieler richtet. Für mich ist „Spiel des Jahres“ so was wie die Initiative Tierwohl. Eine Auszeichnung, die vornehmlich dem Verkauf der Ware dient.