Ein Entschluss zum Auswandern befällt einen nichts plötzlich nachts im Schlaf. In der Regel ist damit ein längerer Annäherung verbunden.
Hände in den Schoß
Die Hände in den Schoß zu legen, während es noch eine enorme Menge an unerledigten Dingen gibt, ist nicht meine Art. Dennoch bin ich bei einigen wichtigen Punkt in Bezug auf das Projekt „Auswandern“ zur Untätigkeit verdammt. Es fehlen Rückmeldungen, Verträge, die noch in der Post hängen und ein definitives Datum für den Umzug
Immerhin, es gibt bereits die ersten Interessenten für unsere jetzige Wohnung in der autofreien Siedlung. Es gehört jedoch nicht zu den größten Aktivposten der Sorgen, einen Nachmieter für eine Wohnung in Köln zu finden — eine Stadt, in der man vermutlich auch Parkbänke und Schlafplätze unter Brücken irgendwann gewinnbringend an Menschen vermieten kann.
Egal, eigentlich wollte ich ja nicht zurückblicken, sondern nach vorne. In dem Zusammenhang wäre es für die Eine oder den anderen auch mal interessant, warum meine Frau und ich uns überhaupt entschieden haben, nach Ostfriesland auszuwandern. Quasi eine Annäherung an Emden in schriftlicher Form.
Im Grunde begann alles im Herbst 2017, in unserem ersten Nordsee-Urlaub seit längere Zeit. Weil die Insel gut mit der Bahn von Köln aus zu erreichen ist, entschieden wir uns für Borkum.
Ostfriesische Annäherung
Von Köln aus fährt man durch Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, bis man sich der ostfriesischen Küste annähert. Endstation des Zuges ist Emden-Außenhafen, wenn alles gut läuft — was nicht immer der Fall war bei unseren nachfolgenden Reisen auf die Insel.
Je nach dem, ob man mit der regulären Fähre oder dem Katamaran übersetzt, dauert die Fahrt ein bis zwei Stunden. Dann ist man auf der Insel. Das Loslassen beginnt bereits bei der Fahrt in den Ort mit der Kleinbahn. Vom ersten Moment an haben wir uns in Borkum verliebt.
Bisher verbrachten wir bereits fünfmal auf unsere Lieblingsinsel, wir kennen sie mittlerweile zu jeder Jahreszeit. Schlechtes Wetter gibt es eigentlich nicht, nur Ausreden und falsche Kleidung.
Am Ende der Urlaube fiel uns mit jedem Mal die Rückfahrt schwerer. Wir fingen an zu grübeln, wie eine Annäherung an Borkum möglich sein könnte. Eine eigene Ferienwohnung? Die lange Strecke von Köln aus hätten wir dennoch hinter uns bringen müssen. Auf Borkum selber ist Wohnraum ebenso rar wie die Arbeitsmöglichkeiten, auch wenn zumindest ich von fast jedem Ort der Welt arbeiten kann.
Recht schnell stießen wir dann auf Emden, quasi die letzte Station vor Borkum. Zufällig ist Emden die größte Stadt in Ostfriesland, dazu die kleinste kreisfreie Stadt in Niedersachsen. Mit seinen etwas weniger als 50.000 Einwohnern kein Vergleich zu Köln. Für uns aber genau die richtige Schuhgröße.
Verliebt in eine Region
Nach dem Erstkontakt mit Borkum haben wir uns noch eine Reihe andere Ort und Möglichkeiten angesehen. Weiter südlich als Bonn reizt uns eher weniger, auch wenn Städte wie Freiburg einen ziemlichen Charme ausstrahlen. Mit dem Osten und insbesondere der Ostsee wurden wir nicht warm. Wir lieben die raue See und das Watt.
Unser Kurs der Annäherung führte uns dann im vergangenen Jahr weiter nach Norden, auf die Insel Föhr. Keine Frage, eine schöne Insel. Aber nicht unsere Insel. Jedoch die Insel, auf der wir bei langen Spaziergängen im Sommer 2019 eine Entscheidung trafen.
Zurück aus dem Urlaub und am Ende der Sommerferien stellte meine Frau einen Versetzungsantrag. Danach verlief alles sehr, sehr langsam. Gegen Ende des Jahres folgte ein Vorstellungsgespräch in Emden. Wieder hieß es danach warten. Unsere Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt. Silvester verbrachten wir wieder auf Borkum. Pünktlich um Mitternacht stießen wir auf das neue Jahr und die neuen Möglichkeiten an. Wenige Wochen später rollte Corona über das Land. Mit einem Mal schien alles ins Wanken zu geraten.
Jetzt, fast ein Jahr, nach dem wir uns gedanklich Ostfriesland als neue Heimat annäherten, rückt der Aufbruch greifbar nah.