Im nächsten Jahr stehen Bundestagswahlen an. Auf die Nachfolge von Angela Merkel werden von unterschiedlichen Seiten bereits Ansprüche erhoben.
Erwartungshorizont verkleinern
Aus der Schuldidaktik bekannt ist der sogenannte Erwartungshorizont. Insbesondere etwa bei Klassenarbeiten und Klausuren kommt er zum Tragen, aber auch in der Unterrichtsplanung — zumindest im Rahmen der Ausbildung. Die Praxis des Schulalltags sieht dann meisten anders aus. Im Erwartungshorizont wird festgelegt, was von den Schülerinnen und Schüler erwartet wird. Also was sie leisten sollten, da erwartet wird, dass sie dazu in der Lage sind.
Wie dem auch sei, Erwartungen und die Wirklichkeit sind häufiger zwei verschieden Paar Schuhe. Wer etwas erwartet, hat entsprechen gewisse Ansprüche. Etwa an das Niveau der Schülerinnen und Schüler. Oder aber an die Anforderungen, welche eine neue Wohnung erfüllen soll. In den letzten Tagen haben meine Frau und ich diesbezüglich gelernt, unsere Ansprüche zurückzuschrauben. Nicht immer ist das, was man möchte, auch das, was man bekommen kann. Wie heißt es so treffen im Kölner Grundgesetz, Artikel 4: „Wat fott es, es fott.“ Wohnungen und Häuser, die man vor Ostern total super fand, fanden auch andere klasse. Man kann nur auf das zugreifen, was der Markt her gibt.
Auch in der Politik gibt es Ansprüche. So erhebt etwa der NRW-Ministerpräsident Armin Laschet von der CDU einen Anspruch seiner Partei darauf, einen Kanzlerkandidaten für die Bundestagswahl 2021 zu stellen.
Befremdliche Ansprüche
Ansprüche wie die von Laschet wirken leicht befremdlich. Sie lassen sich nicht vergleichen mit den vorherigen Beispielen. Ganz einfach deshalb, weil Laschet Anspruch auf etwas (fast) selbstverständliches erhebt. Niemand spricht der CDU ab, einen eigenen Kanzlerkandidaten ins Rennen zu schicken. Schließlich sind die Umfragewerte der Partei bei Weitem nicht so schlecht wie die der SPD.
Man muss schon etwas genauer und mitunter mehrfach lesen, um die Aussage von Laschet zu begreifen. Im Bundestag sitzt die Union, als der Zusammenschluss aus CDU und CSU (die nur in Bayern zur Wahl antritt). Die CSU stellt auch Minister und pfuscht auch sonst mit herum. Allerdings macht insbesondere während der Corona-Krise der Ministerpräsident von Bayern, Markus Söder, eine ausgesprochen gute Figur. Dessen steigende Beliebtheit und die Rufe nach seiner Kanzlerkandidatur haben ganz offensichtlich dazu geführt, dass sich Laschet zur Bestärkung des CDU-Anspruchs auf die Kanzlerkandidatur genötigt sah.
Die derzeit noch gastierende CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer pocht auch auf den Anspruch ihrer Partei. Aber man sei sich sicher, dass eine Einigung bei der K-Frage möglich ist. Nun denn. Bei Armin Laschet kommt auch noch etwas anders als die Bestärkung eines „natürliches“ Anspruchs hinzu. Er gehört nämlich selber zu denjenigen, die um eine Kanzlerkandidatur buhlen und rechnet sich gute Chancen aus. Vom 2012 gescheiterten Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten in NRW gibt es dagegen eine andere Tendenz. Röttgen hält nämlich Söder für zumindest geeignet, Merkel zu beerben. Flexibel genug sei er ja.
Meine Meinung zu dem Thema dürfte inzwischen bekannt sein. Laschet als Bundeskanzler geht gar nicht. Der Mann bewies seine derzeitige Fehlbesetzung bereits in der Corona-Krise. Und von allem möglichen Option scheint mir Söder tatsächlich die beste Wahl zu sein.