Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Der Mensch ist und darf kein Ersatzteillager sein. Diese Sichtweise bestätige gestern mehrheitlich der Deutsche Bundestag.

Organspende rettet Leben

Dran, dass durch Organspende Leben gerettet werden, gibt es keinen Zweifel. Ebenso wenig an der Statik über die Spendebereitschaft in Deutschland. Auf ein neues Organ warten derzeit rund 9.500 Menschen. Demgegenüber standen im Jahr 2018 955 Organspenderinnen und Organspender. Laut Statistik besitzen rund 36 Prozent der Deutschen einen Organspendeausweis. Der Bedarf an gesunden Organen kann trotz eines Anstiegs der Spender nicht gedeckt werden.
Draus lassen sich unterschiedliche Schlüsse ziehen. Aber auch komplementäre Lösungen entwickel. Eine davon präsentierten Dr. Karl Lauterbach, Jens Spahn und viele andere Abgeordnete im vergangenen Juni. Der Gesetzesentwurf trägt die Bezeichnung „Doppelte Widerspruchslösung“ und sieht im Kern Folgendes vor:

Nach dem Gesetzentwurf gilt jede Person als Organ- oder Gewebespender, es sei denn, es liegt ein erklärter Widerspruch oder ein der Organ- oder Gewebeentnahme entgegenstehender Wille vor. Ist dies nicht der Fall, ist, anders als bei der bisherigen Entscheidungslösung, eine Organ- und Gewebeentnahme bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen zulässig.
Quelle: Deutscher Bundestag, Drucksache 19/11096

Um das mal umgangssprachlich zu formulieren: Jeder von uns gilt so lange als Ersatzteillager, bis er dem ausdrücklich widerspricht und dieser Widerspruch auch festgehalten wird. Damit umgeht man in jeden Fall das Problem der mangelnden Spendenbereitschaft.

Organspender als Ersatzteillager

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Ethik statt Ersatzteillager

Der Gesetzesentwurf wurde gestern mehrheitlich bei einer Abstimmung abgelehnt. Stattdessen angenommen wurde der Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende. Dieser stammte von einer Gruppe um die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock und Linken-Chefin Katja Kipping. Der Entwurf zielt auf verstärkte Aufklärung, eine möglichst einfach zugängliche Dokumentation des Willens zur Organspende, aber auch vor allem auf Freiwilligkeit. Der Mensch kann und darf nicht zum Ersatzteillager verkommen. Bereits mehrfach habe ich diesen Standpunkt hier im Blog vertreten. Wer jeden erst mal zu Organspende deklariert, dem fehlt eine ganzheitliche Wahrnehmung und sieht den Toten als Ersatzteillager und nicht mehr als Mensch, der er einmal war. Es ist ein zumindest mich zutiefst erschütterndes Weltbild. Auch im Tod bin ich immer noch. Es ist Teil meines Selbstbestimmungsrechtes, nicht Organspender zu sein, ohne diese explizit erklären zu müssen.

Der Staat darf nicht über meine Körper verfügen, auch nicht nach meinem Tod. Sicher rettet Organspende Leben. Sie muss aber freiwillig erfolgen. Die Begründungen der doppelten Widerspruchslösung lassen sich auch mühelos auf andere Bereiche übertragen. Weltweit leiden 822 Millionen Menschen an Hunger. Täglich sterben 24.000 Menschen an den Folgen. Folgt man dem Konzept der Organspende, müsste jeder von uns, solange er nicht ausdrücklich widerspricht, automatisch x Prozent seines Gehaltes an die Welthungerhilfe spenden.

Ein Leben ist genauso viel wert wie das andere.

Im Übrigen gibt es keine Belege aus anderen Ländern dafür, dass so was wie eine doppelte Widerspruchslösung zu einer höheren Spendenbereitschaft führt.

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