Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Ein Aufschub bis Ende Januar 2020 für den Brexit gewährte die Europäische Union Großbritannien. Mittlerweile erinnert das Ganze an ein Kasperletheater.

To leave or not to leave

„To leave or not to leave, that ist the question“ — Eine Frage, mit der sich vermutlich auch Hamlet herumgequält hätte. Nur mit dem Unterschied, dass ein Verlassen der EU seitens Dänemark derzeit nicht zur Diskussion steht. Aus dem bedingungslosen Brexit zum Ende des Monats wird jedenfalls nichts. Der Premierminister Boris Johnson musste um eine Verlängerung des Austrittsdatums bitten, nach dem er erneut keine Mehrheit für das Abkommen zum Austritt (Deal) erhielt. Und ein Austritt ohne Deal wurde ihm ja untersagt. „Lieber tot im Graben als Fristverlängerung“. Keine literarische Erfindung von William Shakespeare, sondern ein Zitat von Johnson. Aber was interessiert einen wie ihn schon sein Geschwätz von gestern. Die Schuld lässt sich bequem anderen in die Schuhe schieben, etwa Labour oder den Abtrünnigen in der eigenen Partei.

Ob der Graben für Johnson möglicherweise die Lösung wäre, Großbritannien weiterhin in der EU zu halten, darf allerdings bezweifelt werden. Im Übrigen hat die Europäische Union Großbritannien zwar einen flexiblen Aufschub gewährt, aber gleichzeitig deutlich gemacht, dass es keinen neuen Verhandlungen geben wird. Mit anderen Worten, der Ball liegt jetzt bei den Briten — mal wieder. Was für ein Kasperletheater!

Kasperletheater Brexit

Brexit in Irland

Labour veranstaltet Kasperletheater

Geht es nach dem Willen von Boris Johnson, finden Anfang Dezember Neuwahlen statt. Das ist natürlich kein Kasperletheater, sondern ein demokratischer Prozess. Dennoch, es kommt einem wie Kasperletheater vor. Das liegt gleich an mehren Dingen. Zum einen an dem, was Johnson von den Neuwahlen erhofft. Eine Bestrafung der Abweichler in den eigenen Reihen, eine deutliche Mehrheit für seinen Kurs durch den Rückhalt bei den Wählerinnen und Wählern. Und natürlich die Abstufung von Labour.

Die wiederum veranstalten ihr ganz eigenes Kasperletheater, allen voran ihr Vorsitzender Jeremy Corbyn. Was den Brexit angeht, hat man nicht den Mut gefunden, eine klare Position zu beziehen. Man will sowohl bleiben als auch ein Stück weit die EU verlassen. Entsprechend negativ wirkt sich das auf die zurückliegenden Wahlergebnisse aus. Daher war bis vor wenigen Stunden die Aussage von Labour: keine Neuwahlen.

Mittlerweile hat sich das geändert. Nun heißt es, Labour stimme doch Neuwahlen zu. Allerdings steht zur Stunde noch nicht fest, ob sich die Abgeordneten auch die Vorgaben von oben halten werden. Für vorgezogene Neuwahlen am 12. Dezember benötig Premierminister Boris Johnson in jeden Fall eine absolute Mehrheit. Gegen Abend wird man mehr wissen — auch, ob die Liberaldemokraten und die Scottish National Party ihre Zustimmung erteilen. Diese wollen sie nämlich von Zugeständnissen, etwa die Absenkung des Wahlalters, abhängig machen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

DSGVO Cookie Consent mit Real Cookie Banner