Im Tod waren sich Verena und Martin Leiser näher als zeitweise zu Lebzeiten. Ein Doppelgrab, mehr Nähe ging nicht. Wobei die Bestattung auf einem Friedhof lange Jahre ein Streitthema zwischen den beiden gewesen war.
Martin Leiser bevorzugte schon immer eine Einäscherung. Anonym auf einer Friedenswiese vergraben, so was gefiel ihm. Seine Frau dagegen bevorzugte die klassische Form der Bestattung. Ein Erdgrab mit Sarg, dazu ein ansprechender Grabstein. Damit die Hinterbliebenen etwas handfestes haben. Zur Erinnerung und Pflege. Was letzteres anging, teilte sie jedoch die Skepsis ihres Mannes.
Das lag jedoch alles nicht mehr in ihren Händen, denn ihre Tochter Martina kümmerte sich um die Details. Auch den Trauerredner am Grab wählte sie alleine aus. Rücksprachen mit ihrem älteren Bruder gab es nicht. Das Einzige, was sie von ihm noch erwartete, war seine Anwesenheit.
In der Friedhofskapelle bliebt sein Stuhl leer. Stephan kam auch nicht angehastet, als die Trauergesellschaft unterwegs zum Grab war. Andächtig folgte man dem Sarg, einige tuschelten. Die Abwesenheit des ältesten Kindes fiel auf. Die Erde krachte auf die beiden Särge, Blumen wurden hinterhergeworfen. Nirgendwo ein Stephan. Verstohlen blickte Martina immer wieder auf ihre Uhr. Am Hals hatten sich bereits rote Flecken gebildet. Ohne ihren Bruder ging es zum Leichenschmaus. Dafür würde er bezahlen, so viel stand für Martina fest.
Am Düsseldorfer Flughafen erfolgte der Aufruf für Stephan Leisers Flug nach Reykjavik.
2 Kommentare
Ich finde diese Geschichte grandios – danke dafür!
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