Was Verena Leiser im letzten Moment ihres Lebens durch den Kopf gegangen war, konnte die Polizei am Unfallort feststellen. Ein Stahlträger hatte sich durch die Windschutzscheibe bis zur Nackenstütze des Beifahrersitzes gebohrt.
Ihr Mann am Steuer ließ sich noch mehrere Minuten Zeit, bis er endgültig verblutet war. Auf ihrer Fahrt Richtung Emden kamen sie nur bis Dorsten.
Tags darauf brachte die lokale Zeitung einen längeren Artikel zum tödlichen Unfall auf der A31. Über das Ehepaar erfuhr man weniger, dafür eine Menge über den Fahrer des LKWs vor ihnen auf der Autobahn. Von dessen Ladefläche hatte sich ein Teil der mangelhaft gesicherten Ladung bei einem Bremsmanöver gelöst. Der 29-jährige Familienvater hatte die vor ihm liegende Baustelle und damit verbundenen Engstelle zu spät bemerkt. Ihm drohe, so die Zeitung, jetzt ein Ermittlungsverfahren sowie Fahrverbot. Ein Drama für seine junge Familie, mit der er erst vor wenigen Monaten von Wismar nach Schermbeck gezogen war. Bei einer Verurteilung müsste sein dreijähriger Sohn längere Zeit ohne Vater auskommen.
Auch Verena Leiser und ihr Mann Martin hatten eine Familie, Kinder. Glücklicherweise beide bereits längst erwachsen, so dass Verena und Martin ihren sorglosen Ruhestand geplant hatten. Fester Bestandteil davon sollte ihr Umzug an die Nordsee sein. In der Nähe von Greetsiel wollten sie sich ihr neues Haus ansehen. Statt abends vorm Eiscafé am Hafen zu sitzen, lagen sie beide jetzt um die gleiche Zeit gut gekühlt in der Gerichtsmedizin.