Der Begriff Stolz ist in Deutschland mit Vorurteilen aufgeladen. Diese wurzeln in der Geschichte des Landes und Verhalten von Menschen in der Gegenwart.
Denunzierung eines Begriffs
Seid meiner Jugend fremdel ich mit dem Begriff „Stolz“ etwas. Das liegt insbesondere an den Gehirnfremden. Diese meinen, stolz darauf zu sein, weil sie Deutsche sind. Für mich war und ist das nie eine Leistung. Sondern durch Geburt Gestimmter Zufall. Allenfalls konnte man meiner Meinung daher froh sein, in einem ganz bestimmten Land geboren worden zu sein. Ein Land, in dem es über 70 Jahre keinen Krieg mehr gegeben hat. Eine Demokratie, die 1990 Zuwachs bekommen hat — auch wenn es noch andauert, die Menschen einander wirklich näher zu bringen.
Stolz kann man nur auf Leistungen sein, die man zu verantworten hat. Oder an etwas, welches eine eigene Beteiligung einschließt. Etwa, wenn man Vater geworden ist und wie Bolle in die Kamera grinst, mit dem Baby auf dem Arm. Wobei hier die dazugehörigen Mütter den deutlich größeren Anteil geleistet haben, insbesondere rund neun Monate des schwanger seins.
Zurück zum Begriff, der wie geschrieben für mich belastet ist. In ihm steckt immer auch der Schatten von Nazi-Deutschland drin, der so übermächtig erscheint, dass andere historische Leistungen der Menschen in diesem Landstrich der Erde verblassen.
Worauf man stolz sein kann
Auf die Frage, worauf man denn als Deutscher stolz sein kann, fiel mir lange Zeit auch nur eine Antwort ein: Nicht darauf, Deutscher zu sein. Spätestens nach dem vergangenen Wochenende sieht die Antwort bei mir etwas anderes aus. Das liegt an einem Bericht Kiel.
Wie die Lübecker Nachrichten berichten, wird dort eine Politikerin der Grünen die wohl jüngste stellvertretenden Landtagspräsidentin des Landes. Aminata Touré wurde 1992 in der Flüchtlingsunterkunft von Neumünster-Faldera geboren. Ihre Eltern flohen vor dem Bürgerkrieg in Mali. Touré wuchs in Deutschland auf, macht hier Abitur und wurde 2004 deutsche Staatsangehörige. Seit drei Jahren sitzt sie für die Grünen im Kieler Landtag.
Es erfüllt mich mit Stolz, in einem Land leben zu dürfen, wo solche Karrieren möglich sind. Ja, Frau Touré bekommt heftigen Gegenwind von Rassisten zu spüren. Darauf bin ich nicht stolz, sondern schäme mich dafür. Es liegt an uns, dem entgegenzutreten und uns einzusetzen für Vielfalt, Toleranz und Demokratie. Oder wie es auf der Website der Politikerin formuliert steht: „Für eine offene und gleichberechtigte Gesellschaft“.