Die zunehmende Distanz von Politikern zur Wirklichkeit lässt sich mit Unterzuckerung erklären. Eine Entschuldigung für schamlosen Lobbyismus ist das jedoch nicht.
Weinkönigin mit Restzucker
Als mehrfache Weinkönigin kann man es weit bringen. Zum Beispiel in den Reihen der CDU, wo man schon seid Anbeginn der eigenen Zeitrechnung ein bodenständiges Verhältnis zu jeglicher Form der Landwirtschaft pflegt. Wobei, ganz richtig ist das nicht, denn biologische Landwirtschaft verträgt sich nicht so gut mit der Agrarindustrie, der anscheinend präferierten Form bei den Christdemokraten. So ein kleiner Öko-Bauer mit Vollbart hat auch kaum Kohle, um eine Parteispende rüberwachsen zu lassen. In Bezug auf Arbeitsplätzen wähnte man diesen komischen Kauz auch nicht als relevant.
So eine Haltung rächt sich auf Dauer, wie die Europawahlen gezeigt haben. Aber darum soll es heute nicht gehen, sondern um die sogenannten „Bundesministerin für Ernährung“, Julia Klöckner von der CDU. Die war mal Mitte der 90er Jahre Weinkönigin, daher der Bezug zur Einleitung.
Wie dem auch sei, beim Wein spricht man auch vom Restzuckergehalt. Im Vergleich zu sagen wir mal einem Schokoriegel ist der allerdings selbst bei süßen Dessertwein verschwindend gering. Das macht ihn trotzdem nicht zu einem gesunden Lebensmittel, welches man Kinder reichen würde. Wegen des Alkohols. Beim Schokoriegel sollte man davon jedoch auch Abstand nehmen, denn Zucker ist in größeren Mengen auch schädlich.
Klöckner unterzuckert
Eine Unterzuckung wird in der Medizin als Hypoglykämie bezeichnet. In so einem Fall ist zu wenig Glukose (als Zucker) im Blut. Es heißt, dadurch komme es zu Funktionsstörungen bis zu Funktionsausfälle bei verschiedenen Organen, insbesondere im Gehirn.
Funktionsausfälle im Gehirn, die kennt man zu Haufen bei Politikern. Mal wurde an der falschen Stelle mit der Maus geklickt, möchte dem politischen Gegner eins aufs Maul geben oder blamiert sich auf Ibiza. Eine vollständige Liste würde den Umfang an dieser Stelle sprengen.
Der jüngste Funktionsausfall freilich steht nicht im Zusammenhang mit einer Unterzuckerung, sondern eher mit deutlich zu viel Zucker. Man möchte der ehemaligen Weinkönigin keinen Restalkoholgehalt unterstellen, aber ein mit Steuermitteln finanziertes Werbevideo für einen globalen Lebensmittelkonzern ist doch etwas befremdlich.
Innerhalb von 59 Sekunden demonstriert Frau Klöckner, wie wenig Glaubwürdigkeit in ihrer Politik als Bundesministerin für Ernährung steckt. Lobend tritt sie mit dem Nestlés Deutschland-Chef Marc-Aurel Boersch auf, der hervorhebt, wie toll viel man doch in den eigene Produkten an Zucker reduzieren wird. Ganze 10 Prozent, heißt es. Eine Unterzuckerung bei den Produkten wird wohl kein Verbraucher feststellen. Kostenlose Werbung wie in diesem Fall hätte schon bei einer normalen Firma einen merkwürdigen Beigeschmack. Bei Nestlé ist der besonders bitte. Man muss sich nur den Wikipedia-Eintrag dazu durchlesen, was Klöckner offensichtlich nicht getan hat — oder aber sie hat die massive Kritik am Gebaren des Konzerns bewusst ignoriert. Wir erinnern uns, Nestlé ist jeder Konzern, der etwa Gemeinden das Grundwasser abgräbt und es den Menschen dann in Plastikflaschen teuer verkauft.
Frau Klöckner, andere sind schon für wenige offensichtlichen Lobbyismus zurückgetreten.