Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Deutschland ist ein Land der Denkverbote. Kaum stellt ein junger Mensch Überlegungen zur gerechten Gestaltung der Gesellschaft an, steht er direkt unter Sozialismus Verdacht.

Kevin als Hoffnungsträger

Noch Anfang des Jahres galt der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert als Hoffnungsträger in der SPD. Zumindest wird das jetzt in den Medien so behauptet, weil kurze Zeit später ein vermeintlich kluger Kopf erklären will, warum Kühnert das jetzt nicht mehr ist. Man ist offensichtlich der Meinung, Kühnert habe sich mit einer seiner jüngsten Äußerungen selber disqualifiziert.

Bevor darauf eingehe, möchte ich noch kurz ein paart Worte zu dem verlieren, was „Hoffnungsträger“ eigentlich bei der SPD bedeutet. Die Partei hatte in der Vergangenheit viele Hoffnungsträger. Eine davon ist jetzt Parteivorsitzende. Mit Führungspersonal und Hoffnung ist es eigentlich so bei den Genossen, dass man nach wie vor Überzeugung ist, bestimmte Verhaltensweisen in der Jugend würden sich mit der Zeit schon abschleifen. Aus einem laut brüllenden und am Tor des Kanzleramtes rüttelnden JuSo würde also mit der Zeit ein Anzug tragender, Zigarre rauchender Altkanzler, der sich mit dem russischen Machthaber ganz gut versteht.

Unbequem Personen werden quasi durch Übertragung von Verantwortung und Ämtern beim Aufstieg in der Partei glattgeschliffen. Das Parteiinterne Filtersystem verhindert, dass zu Grobes überhaupt nach oben steigt. Das garantiert den Fortbestand in der nivellierten Mitte.

Fällt wirklich jemand mal aus dem Rahmen, auch zu Urzeiten, also vor wichtigen Wahlen, ist das Geschrei groß. Man nennt sich zwar Sozialdemokratisch, aber mit Sozialismus möchte man nichts gemein haben.

Sozialismus und lachen

Sozialismus und lachen

Kühnerts Vorstellung

Kommen wir nach diesem kurzen Exkurs zu Kevin Kühnert. Meiner Meinung nach ein kluger Kopf. Meistens jedenfalls. Jedenfalls, diese Woche gab Kühnert der ZEIT ein Interview. Aufhänger des Interviews war die Frage „Was heißt Sozialismus für Sie, Kevin Kühnert?“ — ein Schelm wer arges dabei denkt, die Frage kommt natürlich mit einer eigenen These zur Position von Kühnert daher.
Die erste Frage im Interview kommt daher auch wie ein Vorwurf daher: „Herr Kühnert, Sie nennen sich einen Sozialisten. Was verstehen Sie darunter?“

Egal was man auf so eine Frage antworten wird, in den meisten westlichen Ländern, gerade auch in Deutschland, ist man damit bereits abgestempelt und kann nur noch verlieren. In vielen Köpfen ist Sozialismus mindestens genau so schlimm wie Faschismus. Einer der wesentlichen Unterscheiden zwischen den beiden ist vor allem der, dass eine ganze Reihe deutscher Firmen im Faschismus recht gut verdient haben.

Wie dem auch sei, Kühner erklärt sich nicht einverstanden mit der bestehen Gesellschaftsordnung und Verteilungsungerechtigkeit. Seiner Meinung nach werden lediglich die Bedürfnisse weniger bedient, werden die Masse auf der Strecke bleibt. Eine bessere Welt sollte, so Kühnert, nicht nur denkbar, sondern auch realisierbar sein. Für mich klingt das nach einem guten Ansatz.

Untergang des Sozialismus

Einen guten Ansatz darf man auch mal weiter spinnen und in den Raum werfen, ob nicht die Kollektivierung von Firmen wie BMW sinnvoll seien.

Nach dem das Interview zirkuliert beziehungsweise Berichte darüber, denn der eigentliche Text steht derzeit nur Abonnenten der ZEIT zur Verfügung, bracht ein Tumult in der politischen Landschaft in Deutschland aus. Der Empörungstsunami wirbelte durch die sozialen Netzwerke und das Feuilleton. Im Osten dürfen zum 1. Mai empörte Bürger in Springestiefeln geduldet ihren Unmut Ausdruck verleihen, aber wehe jemand äußert sich mal zum Sozialismus positiv.

Mike Szymanski in der Süddeutsche Zeitung lässt ins gleiche Horn und schreibt in der SZ direkt mal „Kevin Kühnert ist ein Kapuzenpullis tragender Student im Alter von 29 Jahren“. Das soll so viel heißen wie: werde erwachsen, bring dein Studium zu Ende und zieh dir um Gottes Willen mal was anständiges an. Der herablassende Ton eines gut situierten Bildungsbürgers.
Nein, das Abendland geht nicht gleich unter, wenn man sich über Sozialismus Gedanken macht und lässt fällig, wenn auch unbequeme, Fragen zur Zukunft unserer Gesellschaft stellt. Das ist zwar, siehe Klimawandel, gerade wieder in Mode, nur trägt Kühnert halt keine Zöpfe und hat eben den Begriff Sozialismus verwendet.

Der Sozialismus als Utopie ist, entgegen landläufiger Meinungen, längst nicht untergegangen. Wohl aber eine ganze Reihe von Diktaturen, die sich das Label Sozialismus aufgeklebt hatten, damit man die von Unterdrückung geprägte hässliche Wirklichkeit nicht sieht. So war die DDR etwa kein sozialistischer Staat, sondern eine Diktatur, in der eine kleine Clique das Sagen hatte.

Eine Debatte über das, was Sozialismus bedeuten könnte, ist längst überfällig. Statt Kühnert zur kritisieren, sollte man diskutieren. Vor allem aber auch Stellung nehmen dazu, wie man sich selber die Zukunft unserer Gesellschaft vorstellt.

3 Kommentare

  1. Man muß Kühnert nicht Sozialsimus-Gedanken unterstellen,um das, was er von sich gegeben hat zu kritisieren – es gibt auch so genügen Kritikpunke und offene Fragen.
    Ich will mal einen Teil dieser offenen fragen und Kritikpunkte in den Raum stellen:
    Die meisten Unternehmen gehören wegen horrenter Kreditbelastungen faktisch irgend welchen Banken. Was wird mit diesen laufenden Krediten? Wer trägt ein eventuelles Ausfall-Risiko? Wenn man dieses auf die ANteilseigner verteilt, könnte das Ausfallrisiko für viele Anteilseigner den wirtschaftlichen Ruin bedeuten. st das Sinn der Sache?
    Was ist mit ausländischen Kapital-Beteiligungen bzw. was wird daraus? In vielen anderen Ländern herrschen andere Gesetze und Regelungen…
    Was wird aus unter Eigentumsvorbehalt geieferten Inventar?
    Was wird aus notwendigen Invertitionen? Sollen sömliche Anteilseigner dieses tragen? Sind die dazu wirtschaftlich überhaupt in der Lage?
    Wie sieht es mit der Rücklagenbildung von vergenossenschaftlichten Unternehmen aus? Sind die Antelseigner wirtschaftlichüberhaupt in der Lage, diese zu Bilden und will man ihnen das überhaupt zumuten?
    Wie sieht es aus, wenn die Mehrhet der Anteilseigner eine Investition beschließt, bei der einige Anteilseigner gar nicht in der Lage sind, diese zu leisten?
    Wer trägt das Insolvenzrisiko? Sind dann plötzlich sämtliche Genossenschaftsanteile weg? Dies könnte für viele Anteilseigner den Ruin bedeuten. Will man dieses Risiko wirklich eingehen?

    Fragen über Fragen, auf die Kühnerts Idee keine Antworten gibt.
    Und dabei sind die von mir aufgeworfenen Fragen garantiert nur die Spitze des Eisbergs.

    Es gibt also auch ohne Polemik genug Kritikpunkte. Darüber sollte jeder mal nachdenken!

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