Bei der SPD wird seit einigen Jahren derjenige Kanzlerkandidat, welcher die geringste Aussicht auf Erfolg hat. Für den nächsten Durchlauf gibt es inzwischen zwei Bewerber.
Raten den Kandidaten
Der letzte Kanzlerkandidat der SPD wurde in einem kollektiven Rauschzustand ernannt. Die Ernüchterung folgte dann einige Monate später. Das es so kommen würde, haben natürlich dann auch diejenige vorher gewusst, die noch bis zu letzt an Martin Schulz festgehalten haben.
Bei seiner Wahl im März 2017 zum Parteivorsitzenden erreichte Schulz 100 Prozent der Stimmen. Damals hatte ich bereist eine böse Vorahnung und ging von zwei möglichen Szenarien für die folgende Bundestagswahl aus. Eines davon scheint sich bestätigt zu haben:
Martin Schulz und die Sozialdemokraten gelingt es nicht, eine Mehrheit bei der Bundestagswahl zu erzielen. Die bisherige Bundeskanzlerin Angela Merkel bleibt im Amt. Für die SPD wäre das ein herber Schlag. Möglicherweise einer, von dem sie sich dann nicht mehr erholen wird.
Was dann folgte: Schulz schmiss hin, Andrea Nahles beerbte ihn im Amt als neue Parteivorsitzende. Das führte zu einer erdrutschartigen „Verbesserung“. Mittlerweile sind die Sozialdemokraten in den Umfragen auf rund 15 Prozent abgesackt. Da die eiserne Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mittlerweile angekratzt ist und als Parteivorsitzende zurückgetreten ist, laufen bei der SPD bereits Planspiele für den eigenen, nächsten Kanzlerkandidat.
Natürlicher Kanzlerkandidat
„Der SPD-Vorsitzende ist der natürliche Kanzlerkandidat“ — diese Aussage stammt von Olaf Scholz, als er noch Bürgermeister in Hamburg war. Entsprechend wäre aktuell Andreas Nahles natürlich Kanzlerkandidatin der SPD. Viele Wählerinnen und Wähler, mich eingeschlossen, würde dagegen eher eine Zahnwurzelbehandlung den Vorzug geben. Abgesehen davon tauschen die Sozialdemokraten gerne mal Vorsitzende aus — Gerüchten zu folge ging das in den letzten Jahren zunehmend schneller.
Wie dem auch sei und unabhängig davon, wie man persönlich zu Andrea Nahles steht, sie ist es, die aktuell den Hut auf hat. Wenn es um den Kanzlerkandidat der SPD geht, kommt man an ihr nicht vorbei. Ja, ich wäre auch für eine Urwahl oder andere, demokratische Verfahren zur Kandidatenfindung. Aber es ist auch so, dass das wichtigste für die Partei vor allem erstmal eine Geschlossenheit ist, die man nach außen hin zeigt.
Zu einem ziemlich ungünstigen Zeitpunkt kommt daher die Aussage von Olaf Scholz, er hielt sich für einen guten potentiellen Bundeskanzler. Zu Recht schreibt die Süddeutsche Zeitung, er würde damit die Autorität von Andrea Nahles untergraben. Ein SPD-Mitglied brachte etwas drastischer auf den Punkt:
Das passiert, wenn man über die Feiertage zu viel Lack gesoffen hat.
Es trifft den Nagel jedoch ziemlich gut auf den Kopf. Abgesehen davon ist es schon etwas befremdlich, wie jemand als Mitglied einer 15 Prozent Partei sich öffentlich Gedanken über seine Eignung als Bundeskanzler macht.
Scholz versus Schulz
Das Internet vergiss so schnell nichts, so kann man auch ein paar interessante Details von und über den letzten Kanzlerkandidaten der SPD erfahren. Auch über sein persönliches Verhältnis zu Olaf Scholz. Der Artikel vom Hamburger Abendblatt „Wie Martin Schulz mit Olaf Scholz abrechnet“ ist auf jeden Fall lesenswert.
Noch zur Zeit, als Schulz Kanzlerkandidat war, hausiert Schulz damit, man müsse doch jetzt mal jemanden mit Kompetenz (also ihn) ranlassen.
Von außen und ganz nüchtern betrachtet ist die Frage, ob Nahles oder Schulz eher die Frage, mit welchem Gesicht auf den Plakaten die SPD die nächste, krachende Niederlage einfährt.