Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Die Midterms in den USA stehen für Europäer in erster Linie nicht für Zwischenwahlen. Sie sind von der alten Welt aus betrachtet Anzeichen eines Schlingerkurs der USA.

Midterms für Dummies

Eigentlich haben wir hier alle in Europa in Hinblick auf Wahlergebnisse eigene Probleme zu verdauen. In Deutschland verabschieden sich die großen Volksparteien, die AfD ist auf dem Vormarsch. In Österreich — ach reden wir lieber nicht drüber. Es zeichnet sich ein Ruck nach rechts in Europa ab. Nationalismus gewinnt wieder Oberhand, hundert Jahre nach dem Ende des ersten Weltkriegs. Der Brexit wird für die Europäische Union zu einer schwärenden Wunde.
Der Blick über den großen Teich macht alles nicht besser. Ein erhörter Gegner der Demokratie, Jair Bolsonaro, hat in Brasilien die Wahlen gewonnen. Gegen ihn sieht Trump noch nach Kindergeburtstag aus. Ap­ro­pos Trump, der hat die zurückliegenden Midterms mehr oder weniger gut überstanden. Je nach Standpunkt und Betrachtungsweise. Was aber sind die Midterms? Es sind die Halbzeitwahlen in den USA. Gewählt wurde vorgestern das gesamte Repräsentantenhaus neu, dazu ein Drittel der Senatoren so wie in einigen Bundesstaaten Gouverneure. Es wurde also nicht direkt für oder gegen den US-Präsidenten Donald Trump abgestimmt. Aber genau so wie bei uns sind die Wahlergebnisse immer ein Gradmesser der Zustimmung mit dem politischen Kurs. Meiner Meinung nach ist das Ergebnis ein Schlingerkurs.

Schlingerkurs der Wählerinnen und Wähler in den USA

Midterms in den USA

Jein zum Schlingerkurs

Für eine tiefgründige politische Analyse der Wahlergebnisse in den USA fehlt mir das erforderliche Hintergrundwissen. Ich kann mich nur auf das stützen, was ich mir etwa durch die Süddeutsche Zeitung angelesen habe. So schreibt die SZ etwa „Was die Niederlage im Repräsentantenhaus für Trump bedeutet“. Ja, das kann man so machen. Für mich sieht das aber nicht ganz nach einer Niederlage für Trump aus. Im Senat wurde er gestärkt. Gerade der Senat spielt eine große Rolle bei der Besetzung von etwa Richterposten. Trump kann die politische Richtung vorgeben. Die Auswirkungen durch die Benennung von Richtern werden noch Jahre nach dem Trump längst nicht mehr im Amt ist zu spüren sein. Die Wählerinnen und Wähler haben sich allerdings für einen Schlingerkurs entschieden, indem sie Trump einerseits stärkten und auf der anderen Seite schwächten.
Denn auf der anderen Seite aber sind die Demokraten im Repräsentantenhaus jetzt in der Mehrheit und zum Beispiel neue Gesetze blockieren. Die Sz schreibt dazu:

Die Mauer an der Grenze zu Mexiko? Ist tot. Abschaffung der Gesundheitsreformen von Barack Obama? Keine Chance. Schärfere Gesetze gegen Immigranten? Werden nicht kommen.
Quelle: Süddeutsche Zeitung

Ganz so optimistisch wäre ich nicht.

Trump bleibt Trump

Zum einen kann Trump, wie die SZ weiter schreibt, mittels präsidialem Dekret weitere seine „Linie“ verfolgen. Viel schlimmer noch ist, das die Stärkung der Demokraten Trump nicht bändigen wird. Jedes Mal, wenn sie ihn blockieren, wird er sie mindestens über Twitter verbal angreifen und verantwortlich machen. Das wird weitere Menschen radikalisieren und zu Taten verleiten.
Der amtierende US-Präsident wird diese erste Niederlage mit ziemlicher Sicherheit persönlich nehmen und alles noch schlimmer als bisher machen. Er wird weiterhin sein Gift und die Ohren aller träufeln, die ihm an den Lippen hängen. Für uns hier in Europa bedeutet das eine Versetzung des Schlingerkurs der USA. Sie ist weder als Partner noch als Verbündeter derzeit verlässlich. Sie isoliert sich zunehmen, zum eigenen Schaden und zum Schaden für den Rest der Welt.

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