Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Autoverkehr in deutschen Innenstädten ist ein enormes Problem. Eine Belastung, der man in Köln mit genialen Ideen wie der Brötchentaste begegnet.

Autogerechte Stadt

Zum Thema autogerechte Stadt findet sich bei Wikipedia direkt am Anfang des dazugehörigen Artikels ein sehr schöner Satz: „Eine autogerechte Stadt ist eine an den vermeintlichen oder tatsächlichen Bedürfnissen des motorisierten Individualverkehrs orientierte Stadt.“
Vermeintlich an den Bedürfnissen ausgerichtet. Autofahrer, die in Köln unterwegs sind, haben naturgemäß eine andere Sichtweise. Nur die wenigsten von ihnen würden unterschreiben, dass die Stadt an ihren Bedürfnissen ausgerichtet ist. Es fängt mit der Verkehrsführung an und endet längst nicht bei den Parkplätzen, von denen es gefühlt immer zu wenig gibt. Was beim Kölner an sich zu einer Wildwest-Mentalität führt. Es wird einfach überall geparkt. Ob auf Grundflächen, Bürgersteigen oder auch mal gerne direkt von einer Ampel. Fahrradfahrer und Fußgänger fühlen sich häufig der Ohnmacht nah. Für sie ist die Köln viel zu sehr auf Autos zugeschnitten. Dazu kommt dann noch eine äußerst laxe Auslegung vom Regeln und ein Ordnungsamt, welches auch neuralgische Punkte nur sporadisch kontrolliert. Erzieherisches Abschleppen würde an vielen Stellen helfen. Helfen aber auch würde der politische Wille, die Stadt umzugestalten und die Autos an den Rand zu drängen, statt sie vergoldet auf Dächer zu stellen — oder so ähnlich. Autos verleihen keine Flügel und sind auch keine Engel.

Symbolbild Brötchentaste

Couleur / Pixabay

Signal der Brötchentaste

Was Städte wie Köln benötigen, ist ein radikales Umdenken. Der innerstädtische Verkehr muss aus Fußgängersicht konzipiert werden. Beim Wohnen müssen Lösungen herangezogen werden, die autofreie Bereiche berücksichtigen. Wohnen und leben ohne Autos, das funktioniert. Ansehen kann man sich das etwas in Nippes, in der autofreien Siedlung.
Leider auch in Nippes kann man sich das genau Gegenteil ansehen. Eine Unverschämtheit, die euphemistisch als so genannte Brötchentaste bezeichnet wird. Mit dieser Brötchentaste kann man an bestimmten Parkscheinautomaten entlang der Neusser Straße 15 Minuten lang kostenlos parken. Dieser Unfug ist politisch gewollt. Es soll zu einer Entlassung derjenige führen, die mit dem Auto unterwegs sind. Zudem verspricht man sich einen Aufschwung für Nippes. Ernsthaft? Durch eine Brötchentaste und den damit zunehmenden Autoverkehr? Dadurch, dass ein Veedel mit mehr Autoverkehr an Lebensqualität einbüsst? Aus meiner Sicht ist das eine befremdliche Logik, die hinter der Brötchentaste steckt.
„Mal eben Brötchen holen“, sagt man, wenn man kurz ums Eck zum Bäcker geht. Mit der Brötchentaste will man also Menschen auch noch belohnen, die für Kurzstrecken das Auto benutzen?

Alternative Konzepte

Diese Brötchentaste setzt eindeutig das falsche Signal. Richtig wäre es, falsches Verhalten nicht auch noch zu belohnen. Wenn man eine Einkaufsmeile wirklich attraktiver machen will, erklärt man sie zur Fußgängerzone — gegen deren Einführung in deutschen Innenstädten es damals auch heftig Widerstand gab. Mit den gleichen Argumenten, die für die Brötchentaste ins Feld geführt werden.
Eine Stadt würde gewinnen, wenn man sie zur generellen Tempo 30 Zone erklärt. Sie würde auch mit der Reduzierung von Parkraum gewinnen, wenn man andere Angebote attraktiver macht. Etwa den öffentlichen Nahverkehr, in dem man dort ein kostenloses Kurzstreckenticket anbietet. Wer jedoch rückständig eine autogerechte Stadt erzwingen will, der kommt auf so was nicht.

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