Menschen borgen sich die merkwürdigsten Sachen aus. Der letzte Schrei ist das so genannte Leihhuhn für gestreßte Großstädter.
Kleingedrucktes
Das Erste, was ich Monat für Monat in der stadtrevue lese, sind die Kleinanzeigen. Für mich sind es zum Teil lesenswerte Kurzgeschichten, gerade in der Rubrik „Wiedersehen“. Was mir allerdings etwas fehlt, ist die Kontaktanzeige des Monats, wie sie in der colibri zur finden war. Wie dem auch sei, bei den Kleinanzeigen bekommt man einen zum Teil sehr skurrilen Querschnitt durch die Gesellschaft. Wer es „etwas“ esoterischer möchte, greift zur „schrot & korn“ im Bioladen — lese ich ab und an gerne. Für ein barcamp kann man im Übrigen eine gute Session daraus zum Thema Kreativität machen. Eine originelle Anzeige raussuchen und die Teilnehmer dazu eine Geschichte erfinden lassen.
Kommen wir aber mal zur Sache. Gestern Abend wäre ich fast erstickt. Das kommt davon, wenn man beim essen liest und dann einen Lachanfall bekommt. Schuld daran wäre die einzige Anzeige unter der Rubrik Tiere in der aktuellen Ausgabe der stadtrevue gewesen. Tatsächlich stand da „Leih dir ein Huhn…“:
Wir bringen Ihnen unsere Hühnerschar als Rundum Sorglos Paket.
Das ist ehrlich gesagt ziemlich skurril.

Capri23auto / Pixabay
Tatsächlich Leihhuhn
Bevor ich auf die Details der Anzeige zum Leihuhn näher eingehe, möchte ein wenig zurückspulen. In meine eigene Vergangenheit als Mensch auf dem Land. Es gab da so eine Phase (Idee meines Vaters), da hatten wir tatsächlich auch Hühner. Natürlich befand sich darunter kein Leihhuhn, es waren unsere Hühner. Und von einem Rundum Sorglos Pakte waren die weit entfernt. So ein Hühnerstall macht Arbeit. Sicher, man hat immer frische Eier — die einem irgendwann auch zum Hals raushängen. Die Hühner müssen aber auch gefüttert werden. Zudem machen sie Dreck. Kleines Geheimnis für Großstädter: Wenn man oben Futter einfüllt, komme unten nicht nur Eier raus.
Zudem wollen Hühner scharren. Das was bei uns mal ein Rasen war, glich am Ende einer staubigen Fläche. Richtig vollständig wird so ein Hühnerstall erst mit einem Hahn. Die gibt es in unterschiedlichen Modellen, wir hatten eins, das sehr angriffslustig war. Gut, wenn man zu sehen kann, wie der kleine Bruder vom Hahn durch den Stall gejagt wird, kann das auch sehr erheiternd sein.
Jedenfalls, was ich sagen wollte: so was wie sorgenfreie Hühnerhaltung gibt es meiner Meinung (und Erfahrung) nach nicht.
Zurück zum Leihhuhn. Für diesen Blog-Artikel fand ich die Anzeige nicht sofort in der stadtrevue, so dass ich Tante Google fragte. Erstaunlicherweise gibt es eine ganze Reihe von Anbietern.
Glückliche Hühner, glückliche Menschen
In der Anzeige stand etwas von „Täglich frische Eier von glücklichen Hühnern!“. Das lassen wir mal so dahingestellt. Wie glücklich Hühner sind, die für ein bis zwei Wochen ausgeliehen werden, ist schwierig zu beurteilen. Pervers finde ich, wie ein Lebewesen zu einem Objekt degradiert wird. Die Anzeige suggeriert, es reiche eine einmalige ausführliche Pflegeeinweisung das mitgelieferte Fachbuch zum Nachschlagen. Sehe ich anders. Naturerfahrungen kann auf dem Bauernhof sammeln. Tiere permanenten Stress auszusetzen, sei es als Leihhuhn oder Miethuhn , finde ich nicht gut. Wenn ein Leihhuhn schon Naturpädagogik ist, kommen mir auch ernsthafte Zweifel.
Tiere sind weder ein Geschenk noch etwas für Möchtegern-Selbstversorger. Man übernimmt mit ihnen dauerhaft Verantwortung. Ein Huhn eignet sich nicht zum Heile-Welt spielen. Und ein Leihhuhn ersetzt keine echte Erfahrung auf einem Bauernhof. Denn dort lernt man auch etwas über den Kreislauf des Lebens. Hühner geben nicht nur ein Ei. Sie landen auch im Suppentopf und müssen vorher geschlachtet werden. Gerade diese Aspekte lässt man gerne unter den Tisch fallen, dabei wären sie meiner Meinung nach wichtig, um Respekt vor dem Leben des Tieres zu bekommen. Hört sich komisch an, aber wer diese Erfahrung gemacht hat, für den gibt es im Kühlregal keine anonyme abgepackte Hähnchenbrust mehr. Im Übrigen, Hühner als Streichelobjekt, davon halte ich auch nichts.
Miethuhn, aber richtig
Wenn es einem lediglich um die frische Eier geht, dann gibt es auch deutlich besser Ideen als das Leihhuhn. Das richtige Miethuhn wohnt nämlich da, wo es sich wirklich wohlfühlen. Artgerecht auf dem Bio-Bauernhof. Man schließt ein Eierabo ab, kann die Hühner besuchen. Und ja, es gibt auch ein Suppenhuhn.