Die anderen hatten sie einfach zurückgelassen. Mit einem etwas weniger guten Herz hätte Hedwig vermutlich in diesem Moment der Schlag dahin gerafft. Nach dem ersten Schock versuchte sie sich so gut es ging zu beruhigen. Mehrmals holte Hedwig tief Luft. In ihrem Kopf arbeitet es fieberhaft.
Sie suchte eine Erklärung für das, was passiert war. So was las man ab und zu in der Zeitung. Irgendjemand, den man nicht kannte, war an einer Raststätte oder einem Autobahnparkplatz zurückgelassen worden. Erst viel später oder überhaupt nicht fiel den Davonfahrenden dann auf, dass jemand fehlte.
Heute war dieser Irgendjemand Hedwig Brockmüller, der Fehlen im Auto von Waltraud Stieglitz lange Zeit nicht auffallen würde. So gut wie der Koffer sie zuvor im Wagen Verdacht hatte, verbarg er jetzt die Lücke, die sie hinterließ.
Hedwig betrat wieder die Raststätte. Am Bälleparadies blieb sie stehen. Dort tobten immer noch die Kinder, denen sie die Zunge herausgestreckt hatte. Ganz so mutig wie in diesem Moment fühlte sich Hedwig jetzt nicht mehr. Ein großer Teil der Sitzplätze wurde nach wie vor der Seniorengruppe in Beschlag genommen. Im gesamten Restaurant gab es nur einen Tisch mit zwei freien Plätzen. Von dort aus sah eine jüngere Frau angestrengt rüber zu Hedwig. Doch der Blick galt nicht ihr, sondern den beiden Kindern. Freilich wurde Hedwig das erst klar, als sie vor dem Tisch stand und im Begriff war, sich zu setzen.