Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Deutsche Spielepreis beeinflussbar

Es bedarf nicht viel um Auszeichnungen wie den Deutschen Spielepreis in Misskredit zu bringen. Bereits ein unbedachter Kommentar in einem Video reicht aus.

Im Keller der Geschichte

Seit nunmehr 28 Jahren wird der Deutsche Spielepreis vergeben. Anders als die Auszeichnung Spiel des Jahres war er von Anfang an breiter aufgestellt und Bezug auf die Abstimmung. Nicht nur wenige Mitglieder einer Fachjury sollten entschieden. In den ersten Jahren gab es eine Gewichtung von 40 zu 60. Wikipedia schreibt dazu:

Der Deutsche Spielepreis beruht auf einer breit angelegten Fachpublikums- und Experten-Umfrage. Bis zum Jahr 2000 ging das Ergebnis der Fachpublikums-Abstimmung unter den Lesern der Pöppel-Revue zu 40 Prozent in das Gesamtergebnis ein. Zu 60 Prozent gingen drei Umfragen unter Spielejournalisten, Spielekreisen sowie Händlern in das Resultat ein.

Das brachte, wie auch zu lesen ist, Probleme mit sich, denn es stand der Vorwurf im Raum, mit zu hohen Teilnehmerzahlen gearbeitet zu haben. „Deutscher Spielepreis beschädigt“, hieß es folglich am 17. November 2000 im Branchenbrief der Spiel Media Verlag GmbH. Diesen, wenn man so will, Manipulationsverdacht, sollte man im Hinterkopf haben. Vielleicht auch noch, dass die Pöppel-Revue Mitte der 1980 Jahre vom Friedhelm Merz Verlag übernommen wurde. Ja, das ist der mit dem Spielepreis und auch der, der die Spielemesse in Essen veranstaltet.

Deutsche Spielepreis beeinflussbar

Thinex / Pixabay

Klong! macht der Spielepreis

Wer weiter im Keller gräbt, stößt auf Knut-Michael Wolf — sein Wechsel zur spielbox wäre aber an dieser Stelle eine andere Geschichte. Wissen sollte man nur, dass in diesem Jahr zum ersten Mal nicht die Sonderausgabe der Spielbox auf der Spielemesse in Essen verteilt werden darf. Gerüchten zu Folge ein kleine Retourkutsche des Veranstalters, das der Nostheide Verlag im Frühjahr zum ersten Mal die Spiel doch! in Duisburg veranstaltet hat. Man merkt hier schon: auch wenn es um so ein tolles Hobby wie Brettspiele gibt, Empfindlichkeiten spielen eine große Rolle.
Zurück in die Gegenwart und zum Deutschen Spielepreis. Die laufende Abstimmung wurde am Wochenende abgebrochen. Zudem werden die Stimme seit dem 22.07.2018 wohl nicht mehr mit berücksichtigt. Ein harter, aber wohl notwendiger Schritt, um die Glaubwürdigkeit des Preises zu retten. Über das, was zu diesem Schritt führte, gibt es verschieden Versionen. Ganz ehrlich, in den letzten zwei Tagen habe ich persönlich noch nie so viele verschiedene Artikel und Stellungnahmen zum Thema Deutscher Spielepreis gelesen. Aus meiner Sicht zwei sehr gute und lesenswerte Texte sind der von der Brettspielbox und jener Daniel Krause auf brettspiel-news.de.

Video mit Folgen

Die Kurzversion: Ein Youtuber hat in einem Videobeitrag dazu aufgerufen, für ein ganz bestimmtes Spiel zu stimmen. Und zwar nur für dieses Spiel. Dafür hat er eine exklusive Promo-Karte für dieses Spiel in Aussicht gestellt. Verständlicherweise gab es daraufhin eine Reihe weniger positive Rückmeldungen, unter anderem vom Friedhelm Merz Verlag. Der Youtuber legte mit einem Video nach, was weniger eine Entschuldigung sondern ein ziemlicher Angriff wurde. Dabei warf er auch kurzerhand den Deutschen Spielepreis und Spiel des Jahres durcheinander — das spricht nicht gerade für Expertise.
Parallel dazu war das hässliche Wort „Manipulation“ im Raum. Hier kann und musste der Friedhelm Merz Verlag in jedem Fall reagieren. So wie er reagierte, war es auch nachvollziehbar und richtig. Vor allem, wenn man den Hintergrund des Preises und das Jahr 2000 berücksichtigt.
Christoph Post von der Brettspielbox hat ziemlich treffend aufgelistet, wer bei der ganzen Sache zu den Verlierern gehört: Der Deutsche Spielepreis 2018, die Brettspieler, der Schwerkraft Verlag, Blogger und YouTuber so wie der Boardgame Digger (die Person mit dem Aufruf) selber. Kritikfähigkeit ist im Übrigen eine Kompetenz, die man erlernen kann — und sollte.

Bewertung auf kleiner Flamme

Ich kenne Stephan Gust (Boardgame Digger) nicht persönlich und möchte mich an dieser Stelle nicht als Moralapostel aufspielen. Trotzdem sei es mir erlaubt, ein paar persönliche Anmerkungen an dieser Stelle loszuwerden. Dabei spreche ich aus meiner Perspektive als leidenschaftlicher Brettspieler und Blogger mit über 15 Jahren Erfahrung. Ja, Erfahrung. Mit der Zeit wird man sich auch als Laie bewusst, was geht und was nicht geht. Welche Wirkung etwas hat, was man schreibt. Und welche Folgen. Aber das hat eigentlich weder mit bloggen noch mit Youtube-Videos zu tun.
Menschen, die beim Schwarzfahren erwischt werden und dann laut werden, sind mir suspekt. Aus diesem Grund fand ich das Video von Stephan Gust vom 23.07.2018 befremdlich — um es man höflich zu formulieren. Es gibt einen Unterschied zwischen dem, was man zu Hause in den eigenen vier Wänden von sich gibt und geben kann und dem, was man öffentlich sagt. Daran ändert sich auch nicht, wenn man Videos bei sich zu Hause aufnimmt und die dann auf Plattformen wie YouTube hochlädt. Erwachsene Menschen sollte das wissen.
Menschen, die wir nun mal sind, machen Fehler. Ich genau so wie andere auch. Wer Fehler macht, sollte dazu stehen. Ehrlich und glaubwürdig. Man kann aus Fehlern lernen, andere können nachsichtig reagieren. Es hat viel mit Persönlichkeit sowie Reife zu tun. Schnodderigkeit ist kein Ersatz dafür.

Manipulationsvorwurf

Es ist jetzt natürlich recht einfach und billig, alle Schuld bei Stephan Gust zu suchen. Meiner Meinung nach muss man hier aber auch die andere Seite sehen. Die Vorgeschichte des Deutschen Spielepreise genau so wie Abstimmungsverfahren an sich. Hier kommt die Sorgfaltspflicht ins Spiel. Je wichtiger eine Abstimmung ist, desto mehr Gewicht bekommt sie. Der Veranstalter muss dafür sorge tragen, die Möglichkeiten der Manipulation zu verhindern. Wenn hier wirklich knapp 100 Stimmen zu einer Verfälschung führen, dann gibt es ein tiefer gehendes Problem.
Da die Abstimmung nicht mehr läuft, kann ich mir an dieser Stelle kein Bild mehr machen, wie genau abgestimmt wurde. Gerüchten zu Folge kenne ich mich ein wenig mit Internetzeugs aus. Auf der anderen Seite bin ich auch häufig genug Wahlhelfer etwa bei der Bundestagswahl gewesen. Es gibt für mich eine ganze Reihe von Gründen, warum ich aus dieser Erfahrung heraus Wahlcomputer grundsätzlich ablehne.
Der Manipulationsvorwurf gegen Gust wirkt auf mich wie mit Kanonen auf Spatzen zu schießen. Eine Reichweite von 2.300 Abonnenten ist kein Maßstab. Damit ist man meiner Meinung nach noch längst kein (bedeutender) Influencer.
Die Überarbeitung des Abstimmungsverfahrens für den Deutschen Spielepreis halte ich für längst fällig. Wenn die Kernidee eines Publikumpreises erhalten bleiben soll, muss ein sicheres Abstimmungsverfahren finden. Im Übrigen ist noch niemand auf die Idee gekommen, Partei zu verklagen, die vor einer Wahl Bonbons verteilen — dahinter steckt ja schließlich auch eine bestimmte Absicht, aber längst kein Manipulationsversuch.

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