Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Ein möglicherweise stiller Geburtstag. Heute vor 20 Jahren wurde Internationale Strafgerichtshof gegründet. Passend dazu läuft auf Netflix die Mini-Serie Tokyo Trial.

Trauriger Anlass

In der Regel ist ein Geburtstag ein Anlass zum feiern. Das der Internationale Strafgerichtshof notwendig ist, gibt dagegen eher zu denken. Auch der Umstand, dass es ihn in der Form erst seit 20 Jahren gibt. Wobei damals nur die rechtlichen Grundlagen geschaffen wurden. Seine eigentliche Tätigkeit nahm er erst vier Jahre später auf. Vielleicht sollte man zur Erklärung vorweg schieben, welche Aufgabe der Internationale Strafgerichtshof (ICC) eigentlich hat. Kurz und knapp definiert Wikipedia den Zuständigkeitsbereich:

Seine Zuständigkeit umfasst Kernverbrechen des Völkerstrafrechts, nämlich Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen, soweit sie nach seiner Gründung begangen wurden.

Ziemlich interessant ist der letzte Halbsatz, den ich gleich noch im Zusammenhang mit Tokyo Trial aufgreifen werde. Vorweg aber noch ein Hinweis zum heutigen Datum und zum ICC. Seit heute darf der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag erstmalig auch den Angriffskrieg als Verbrechen verurteilen.
Einen Haken an der Sache gibt es allerdings: Einzelpersonen können nur angeklagt werden, wenn das Land, in dem sie die Verbrechen begangen haben, dem Gerichtshof beigetreten ist. So sind etwas Staaten wie Russland, China und die USA von der Rechtssprechung des ICC nicht betroffen.

Tokyo Trial und der ICC

corgaasbeek / Pixabay

Internationaler Militärgerichtshof für den Fernen Osten — Tokyo Trial

All das sollte man im Hinterkopf haben, um die Brisanz und Aktualität von Tokyo Trial (Netflix) einschätzen zu können. Es ist, wenn man so will, ein Gerichtsdrama, welches von 1946 bis 1948 in Japan spielt. Ein völlig verkürzende Wiedergabe. Im Geschichtsunterricht habe ich, wie hoffentlich Schülerinnen und Schüler heute noch, etwas über die Nürnberger Prozesse erfahren. Sie waren ein Versuch der (juristischen) Aufarbeitung der durch die Nationalsozialisten begangenen Verbrechen. Täter sollten vor Gericht gestellt und verurteilte werden. Das Pendant dazu in Japan war der Tokyo Trial, (offiziell: der Internationaler Militärgerichtshof für den Fernen Osten).
Und um genau den geht es in der Mini-Serie. Auf vier Folgen verdichtet es über zwei Jahre. Da diese Aufgabe an sich zum Scheitern verurteilt wäre, konzentriert sich die Serie Tokyo Trial auf die elf Richter des Militärgerichtshofs. Was man zu sehen bekommt, sind elf hervorragende Schauspieler (alles original mit Untertitel). Auf hohem Niveau geht es nicht um subjektive Vorbehalte, sondern um sachliche Argumente. Der niederländische Richter Bernard Röling und sein englischer Kollege Lord William Donald Patrick verstehen sich Anfang ganz gut, dann treten Differenzen auf, am Ende gehen sie wieder fast wie in Freundschaft auseinander.

Knackpunkt Angriffskrieg

Die Meinungen der Richter entzünden sich an der Bewertung beziehungsweise Einordnung der Taten. Die Charta des Tokyo Trial definiert drei Arten von Verbrechen, den Nürnberger Prozessen darin folgend:

  1. Crimes of Aggression
  2. Crimes against Humanity
  3. Conventional War Crimes

Punkt eins ist dabei problematisch, denn der Angriffskrieg galt vor 1945 nicht als Verbrechen. Er wurde zwar als Fortführung der Politik mit anderen Mittel im so genannten Briand-Kellogg-Pakt 1928 geächtet, war aber nicht strafbar — auch nicht bei Einzelpersonen. In der Serie wird gezeigt, wie Röling sich vom indischen Richter Radhabinod Pal von seiner ablehnenden Haltung überzeugen lässt, bevor er im weiteren Verlauf eine eigene Position findet.

Auf hohem Niveau

Ein Film oder eine Serie, die Fragen aufwirft, die einem noch Tage später durch den Kopf gehen, halte ich persönlich schon mal für gelungen. Zumal es bei Tokyo Trial nicht um Belangloses geht — die Entscheidung wirken bis in unsere Zeit hinein. Der Punkt „Crimes of Aggression“ ist erst am heutigen Tag rechtlich einwandfrei ein Anklagepunkt – und das nicht mal weltweit.
Erwähnen sollte man auch die gelungene Inszenierung der Serie. Die Schnitte im 4:3 Format und schwarz-weiß passen zu den Originalaufnahmen aus dem Gerichtssaal. Hervorragend ist auch das, was nicht gezeigt wird: wie die Richter über das Strafmaß abstimmen. ALs Zuschauer denkt man kurz darüber nach, dann wird einem klar, warum das ausgelassen wurde.

Fazit: Ein Empfehlung in jedem Fall. Eigentlich aber schon ein Muss.

2 Kommentare

  1. Oh, das habe ich nicht mitbekommen, diesen Geburtstag meine ich. Habe mich mal mit dem ICC befasst, als ich einen Post über Fatou Bensouda, Chefanklägerin am ICC, verfasst habe. Da ist mir das Dilemma dieses gerichtshofes auch so richtig klar geworden.
    LG
    Astrid

  2. Das mit dem Geburtstag habe ich gestern in der Zeitung gelesen. Es passt dann meiner Meinung nach ganz gut zu einem Text über die Serie. Das Dilemma des ICC ist leider wirklich ziemlich heftig :-(

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