Das Landleben kann man verklären oder verdammen. Einfach ist es, sich mit der Wirklichkeit anzufreunden. Die ist differenzierte als so manche Polemik.
Großstadt versus Dorf
Eins in jedem Fall vorweg. Persönlich zähle ich mich auch zu denen Landeiern. Wobei das in meinem Fall nicht zu 100 Prozent stimmt. Eine Stadt mit rund 60.000 Einwohnern ist kein Dorf, selbst wenn man am Rand wohnt. Der Ortsteil in dem ich in Wesel aufgewachsen bin, nennt sich Lackhausen. Die nächsten Nachbarn von uns wohnten 200 Meter weiter weg. Ums Haus lagen Felder, wenn im Sommer dort der Mais hoch stand, warum man ziemlich isoliert vom Rest der Umwelt.
Und doch waren es nur 3 Kilometer bis in die Innenstadt. Als kein echtes Dorf. Dort lebten Verwandte von uns, in Brünen als Bauern. Schon eher ein Dorf. Wie dem auch sei, ich bleib beim Landei. Verglichen mit Köln und seinen über 1 Millionen Einwohnern ist Wesel ein — lassen wir das Wort auf Grund seiner Vorbelastung einfach weg.
Insbesondere als Jugendlicher schnürte mir Wesel die Luft ab. Die Stadt wurde mir einfach zu klein, ich wollte unbedingt raus, in die Großstadt. Geträumt wurde von München, Berlin und halt auch Köln — schließlich kam mein Vater von dort.
Landleben ohne Romantik
Über die Gartenarbeit zu Hause fluchte ich regelmäßig. Meine Mutter meinte jedoch, dass ich das alles eines Tages vermissen würde. Wenn sie damit dreckige Hände, Unkraut jäten und Rasen mähen meinte — nun, das fehlt mir heute nach wie vor nicht. Aber das ruhige Umfeld ihn direkte Nachbarn vermisse ich ziemlich. Nicht weil ich damals zu Hause so laut sein konnte, wie ich wollte. Sondern weil es so verdammt schön still war, wenn ich es brauchte.
Der Vorteil vom Landleben ist eben die Einsamkeit. Manche Menschen kommen damit zurecht, andere gehen daran zu Grunde. Es ist wie alles im Leben abhängig von einem selber, wie man damit zurecht kommt.
Selbstverständlich ist auf dem Dorf nicht alles Gold, was glänzt. Gerade dann, wenn nur wenige Menschen zusammen leben, wird die Interaktion anstrengender. Ziemlich gut auf den Punkt gebracht hat das etwa Juli Zeh in ihrem Roman „Unter Leuten“. Eine Stadt wie Köln ist dagegen dennoch kein Paradies. Es sind nur andere Probleme, mit denen man zu kämpfen hat. Häufig genug leider Probleme, die wenig konkret greifbar sind. Landleben bedeutet, dass man den Heini kennt, der einem die Kirschen klaut. In der Großstadt wird Müll einfach irgendwo anonym abgeladen. Man kann sich darüber aufregen, bekommt aber nichts zu fassen.
Vor- und Nachteile
Mittlerweile kenne ich verschiedenen Orte des Lebens. Neben Wesel Bielefeld mit seinen 360.000 Einwohnern und eben das bereits erwähnte Köln. Letzteres führt bei mir zu einer Sehnsucht vom Landleben, die ich in Bielefeld nie hatte. Zu viele Menschen auf einem Fleck tun mir einfach nicht gut. Aber ich kann verstehen, warum andere gerade das brauchen. Dieses Verständnis scheint der Zeit-Autorin Kathrin Hollmer zu fehlen. Sie malt in „Stinkt zum Himmel“ das Landleben in extrem düsteren Farben. Sehr ungerecht und einseitig, wie ich finde.
Es ist eine Abrechnung mit dem Leben auf dem Land. Ja, so gar eine Verurteilung der Menschen, die dort leben und leben wollen. Für so viel Einseitigkeit fehlt mir das Verständnis.
Die Autorin hat nicht mal einen sehr naheliegenden Grund für die Stadtflucht bedacht: explodierende Mieten und Preise, bei dem sich viele von uns niemals ein Eigenheim leisten können.