Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Extrem kontrovers wird derzeit über die EU-Urheberrechtsreform gestritten. Kampfbegriffe wie etwa der einer so genannte Linksteuer werden von den Gegnern ins Feld geführt.

Regelungen als Chance

Kaum verebben die Schockwellen, welche die DSGVO ausgelöst hat, da steht schon die nächste Detonation an. Auf EU-Ebene soll der das Urheberrecht reformiert und angepasst werden. Genau wie bei der DSGVO löst das sofort Beißreflexe aus. Netzaktivisten springen auf die Barrikaden und behaupten erstmal, dass uns allen etwas weggenommen wird. Der sehr hässliche Begriff ein Linksteuer wird erfunden und verbreitet sich wie ein Virus. Dabei ist er inhaltlich eine ziemliche Verzerrung der eigentlichen Intention.
Das ist der eine Punkt, der mich stört. Der andere eine Haltung, die grundsätzlich in jeder Form von Regulierung einen Angriff auf die persönliche Freiheit sieht. Manchen Menschen sehen nicht, auf welche Seite sie sich damit stellen. Von Zensur zu sprechen oder dem Ende des Freien Internets ist Blödsinn — genau so, wie es auch bei der DSGVO schon war. Wir sollten uns einfach dran gewöhnen, dass das Internet selbstverständlich kein rechtsfreier Raum sein kann. Wir sollten auch erwachsen genug sein, die Gefahren zu erkennen und den Rauptierkapitalismus, der nach wie vor dominant das Netz beherrscht.

Linksteuer für Anker

Anestiev / Pixabay

Lüge Linksteuer

In der heutigen Süddeutsche Zeitung gab es im Feuilleton einen ausführlichen Artikel dazu. Allerdings bin ich schon vor einigen Tagen über die so genannte Linksteuer gestolpert. Ein furchtbar schlechter t3n-Artikel machte bei Facebook die Runde (eine gewisse Ironie steckt darin natürlich auch). Im Kommentar von Jochen G. Fuchs heisst es: „Vergesst die DSGVO: Das Netz verliert gerade seine Informationsfreiheit“ — genau so polemisch wie die Überschrift ist dann auch der Rest des Artikels. Es werden Begriffe wild durcheinander geworfen und ein wahres Horrorszenario heraufbeschworen. Ganz im Sinne der emsigen Piratin Julia Reda, die für ihr Partei im EU-Parlament sitzt.
Man kann es jetzt freilich machen wie die SZ und das Thema auf einen Kampf der Generationen herunter brechen. Auf der einen Seite die Netzflüsterer und Internetversteher wie Reda, auf der anderen Seite diejenigen wie der CDU-Politiker Axel Voss, die zur Neuland-Fraktion gehören. So einfach ist das aber nicht. Und man sollte es sich auch nicht so einfach machen — anders etwa als Seiten wie savethelink.org.

Des Pudels Kern

Mit dem Kampfbegriff Linksteuer kann man schnell viele Menschen auf die Barrikaden bringen (hier steckt dann auch noch das Problem drin, dass Steuern von uns immer als etwas Negatives betrachtet werden…). Im Kern geht es aber nicht um eine Besteuerung von Bloggern wie mich und anderen, es geht auch nicht um das, was wir allgemein unter einem Link verstehen. Sondern um die so genannten Snippets. Um das zu verstehen, nehmen wir einfach ein nachvollziehbares Beispiel. Uns gefällt ein Artikel etwa in der Süddeutsche Zeitung online oder bei spiegel.de. Wir wollen darüber mit unseren Freunden auf Facebook diskutieren, daher posten wir Link zum Artikel in einem Kommentar oder Status-Update.
Allerdings bleibt dort dann nicht einfach nur der Link stehen, sondern Facebook greift auf die Seite zu, um eine Art Vorschau zu generieren. Dabei werden Inhaltes des von uns verlinkten Artikels und Bildmaterial ausgelesen und auf dem Server von Facebook gespeichert.
Gleichzeitig wertet Facebook den Artikel aus und wer wie oft auf den Link geklickt hat. Aus einem Link https://meinetolleseite.de/artikel4711.html wird daher so was wie https://l.facebook.com/l.php?u=https://meinetolleseite.de/artikel4711.html (und hinten hängen oft noch Parameter dran).
Der Autor des Artikels und Betreiber der Seite haben in der Regel nichts von der Auswertung durch Facebook. Zudem werden ihre Inhalte einfach so kopiert. Ein klarer Verstoß gegen das Urheberrecht.

Mehr Ehrlichkeit

Klar kann man den Verlagen jetzt Lobbyismus vorwerfen, so wie es etwa Sascha Lobo tut. Uns sollte aber allen klar sein, dass jeder von uns nach wie vor seine Rechnungen zahlen muss. Wer als Journalist einen Artikel für eine Zeitung schreibt, möchte dafür bezahlt werden. Weniger amüsant wird er es daher finden, wenn Betreiber von Portalen und Sozialen Netzwerken die Früchte seiner Arbeit ernten, ohne dafür angemessen zu bezahlen.
Es geht also im Kern nicht um eine Linkssteuer, sondern um den Schutz des Urheberrechts. Hier kann und sollte man sich auch mal die Mühe machen, dass zwei Jahre alte Papier im Original zu lesen statt sich immer nur auf Hören-Sagen zu stützen. Da von den Gegner sich erstaunlicherweise niemand die Mühe macht, hier der Link zur deutschen Fassung des Vorschlags für eine „Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt“.
So, und steht dort in Artikel 11 etwas von einer Linksteuer? Nein, natürlich nicht! Sicher, es gibt viel Spielraum für Auslegungen. Aber darüber kann man dann reden, mit sachlichen Argumenten und frei von polemischen Begriffen.

3 Kommentare

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