Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Fanseiten bei Facebook vor dem Aus

Betreiber von Fanseiten bei Facebook sind mitverantwortlichen für den Datenschutz. Ein aktuelles Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) sorgt für Panik.

Meine Daten, deine Daten

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 5. Juli lässt keine Zweifel offen. Für Betreiber von Fanseiten steht es zweifelsfrei in der Überschrift der Pressemitteilung des EuGH:

Der Betreiber einer Facebook-Fanpage ist gemeinsam mit Facebook für die Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Besucher seiner Seite verantwortlich.

Nachfolgend wird dann das Urteil detailliert begründet. Die Sache hat tatsächlich Hand und Fuß, denn Fanseiten liefern sowohl Facebook als auch deren Betreibern eine Menge Daten. Diese lassen sich filtern, selektieren und für Kampagnen weiterverarbeiten. Anders als etwa die trockenen Statistiken einer Webseite bekommt man von Facebook ziemlich detaillierte Informationen. Einer jener Gründe, warum ich Agentur-Mensch Kunden immer wieder die Einrichtung von Fanseiten empfohlen habe — sie sind ein gutes Marketinginstrument gewesen. Gewesen, denn jetzt nach dem Urteil bricht Panik aus. Die ersten Fanseiten werden gelöscht, weil sich die Betreiber überfordert fühlen. Und ganz ehrlich, selbst mit meinem beruflichen Wissen bin ich an dieser Stelle erstmal am Ende. Die Konsequenzen des Urteils in Bezug auf die Umsetzung kann ich derzeit schwer abschätzen. Die Auswirkungen der Panik dagegen schon.

Fanseiten vor dem Aus

SplitShire / Pixabay

Fanseiten für Autoren

Es lässt sich nicht ausschließen, dass die Fanseiten zu einer Falle werden können. Aber machen wir uns nichts vor. Eine rechtliche Grauzone waren sie eigentlich schon länger. An dieser Stelle muss ich aber auch meine private Sicht mit einbringen. Natürlich finde ich Datenschutz wichtig. Auf der anderen Seite sind Fanseiten für mich aber auch ein tolles Mittel der direkten Kommunikation. Viel direkt als über eine Website kommt man etwa mit Firmen in Kontakt. Ansprechpartner kann man auf Augenhöhe begegnen — zumindest entsteht diese Illusion. Gleichzeitig kann man sich mit anderen Fans austauschen. Gute Fanseiten sind ein sehr lebendiger digitaler Ort, der sowohl den Betreibern als auch den Kunden einen Mehrgewinn bringt. Aber eben auch Facebook. Letztendlich bezahlen wir alle diesen Mehrwert mit unseren persönlichen Daten.
Wenn jetzt alle Firmen und sonstige Betreiber ihre Fanseiten einstellen, ist das schon ein Verlust. Aber wie sieht die Alternative aus?
Gestern bekam ich mit wie eine Riehe mir bekannter Autorinnen und Autorinnen das Ende ihrer Fanseiten ankündigten. Für diese Gruppe wäre es aus meiner Sicht am einfachsten, auf eine Facebook-Gruppe auszuweichen. Dazu gibt es derzeit noch kein Urteil. Ähnlich wie eine Fanseite lässt sich Gruppe auch von mehreren und anderen moderieren.

Transparenz im Kundensupport

Genau das war in der Vergangenheit einer der Gründe, warum ich Kunden Fanseiten empfohlen habe. Die Trennung von ihrem persönlich Account. Die Privatperson X ist halt etwas anders als der Autor X. Für Firmen gab es ehedem keine wirkliche Alternative bei Facebook.
Wenn jetzt die Fanseiten sterben, dann führt das zu einem Ungleichgewicht in der Kommunikation. Zudem habe ich die Befürchtung, dass sich das Urteil auch auf andere Netzwerke auswirkt. Was ist etwa mit dem Datenschutz bei Twitter? Telekom hilft wäre ohne Twitter nicht das Gleiche — gerade weil Facebook und Twitter Transparenz im Kundensupport schaffen.
Datenschutz ist unbestritten wichtig. Mir drängt sich aber der Eindruck auf, dass Stück für Stück das Internet, wie wir es kennen, stirbt. Keine schöne, neue Welt.

Eine Antwort

  1. Ich betone auch gerne, dass der Datenschutz wichtig ist. Allerdings haben ihn die „Datenschutzextremisten“ ziemlich an die Wand gefahren. Solche Extremen Positionen sind immer wichtig, damit es überhaupt zu Bewegungen in einem bestimmten Thema kommt, allerdings hat die Politik dann die Aufgabe, hier einen Ausgleich zu schaffen. Das haben sie beim Datenschutz nicht getan, sie haben es den Datenschutzextremisten überlassen, ihre Positionen in Gesetz zu giesen und genau das könnte zu einem riesen Problem für die Meinungspluralität im Internet sein. Es sind ja nicht nur die Fanseiten, es sind ja auch die Kommentarspalten, die immer öfter abgeschaltet werden. Es sind die Blogs, die verschwinden und vieles mehr.

    Meiner Meinung nach ist Datenschutz eine individuelle Aufgabe. Natürlich braucht es gesetzliche Rahmen, zum Beispiel standardisierte Signale von Browsern, die den Webseiten signalisieren, was sie dürfen und was nicht und die eine Umgehung dieser Mechanismen unter Strafe stellen. Dann müsste sich natürlich jeder individuell mit den Einstellungen in seinem Browser befassen, müsste sich überlegen, welche Dinge er will und welche nicht, aber das wäre meiner Meinung nach im Internet ein Ansatz gewesen, der dann auch für Webseitenbetreiber relativ einfach hätte umgesetzt werden können.

    Und um dann doch noch auf die Fanseiten zu kommen. Ich glaube ja, dass diese eher von Menschen genutzt werden, die eh auf Facebook angemeldet sind. Und ich finde es bedenktlich, wenn die Menschen denken, dass sie Dienste wie Facebook nutzenlos nutzen können, sie aber auf gar keinen Fall wollen, dass diese Dienste dann irgendwie Geld verdienen. Wir gehen ja auch nicht in eine Kaufhalle und bezahlen dort dann nicht, weil wir ja schon die Straße/ den Gehweg bezahlt haben, der zur Kaufhalle führt …

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