Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Im Bundestag wurde heute Angela Merkel erneut zur Bundeskanzlerin gewählt. Damit beginnt die vierte Amtszeit der CDU-Politikerin.

Dünne Mehrheit

Für Demokratie-Legastheniker muss man erstmal das generelle Verfahren erklären, bevor man sich mit der eigentlichen Wiederwahl von Angela Merkel beschäftigt. Anders als häufiger angenommen wird die Bundeskanzlerin nämlich nicht von den Wählerinnen und Wählern direkt gewählt. Die Wählerschaft entscheidet bei der Bundestagswahl lediglich über die künftige Zusammensetzung des Parlaments. Im Bundestag selber wählen dann die Abgeordneten die Bundeskanzlerin. Nicht einfach so, denn vorab schlägt der Bundespräsident nach Rücksprache mit den einzelnen Fraktionen eine Kandidatin vor, die mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Mehrheit auf sich vereinigen kann. Genaueres dazu findet sich in Artikel 63 des Grundgesetzes.
Gewählte wurde Angela Merkel dieses mal mit einer dünnen Mehrheit von 364 Stimmen. Das sind gerade einmal 9 Stimmen mehr als nötig. Die erforderliche so genannte Kanzlermehrheit liegt im aktuellen Bundestags (ist immer abhängig von der Anzahl der Abgeordneten) bei 355 Stimmen. Die Große Koalition, das Bündnis aus CDU, CSU und SPD kommt rein rechnerisch auf 399 Stimmen. Das macht nach Adam Ries 35 Stimmen zu wenig. Es gibt also ganz offensichtlich Abweichler in den Reihen der Großen Koalition. Tatsächlich könnten es sogar mehr als 35 sein, denn es ist keinem Mitglied der Opposition untersagt gewesen, Merkel zu wählen.

Lahme Ente Merkel

Sechs Monate nach der Bundestagswahl ist das knappe Ergebnis eigentlich ein Menetekel. Es kann sein, dass eine der Abgeordneten aus den Reihen der SPD grundsätzlich mit der Neuauflage der Großen Koalition nicht einverstanden sind und ein Zeichen setzen wollen. Steht ihnen auch zu, denn rein rechtlich sind weder an Parteitagsbeschlüsse noch Mitgliederentscheide gebunden. Es kann auch sein, dass diese Abweichler künftig artig abnicken, was die Bundesregierung beschließt. Möglicherweise ist es aber auch ein Zeichen von Schwäche der Bundeskanzlerin. Wobei, schaut man sich die drei Wahlen zuvor an, gab es schon mal deutlich schlechtere Ergebnisse.
Bei ihrer ersten Wahl zur Bundeskanzlerin bekam Angela Merkel 51 Stimmen weniger, als theoretisch durch die große Koalition möglich. Auch bei den folgen Wahlen waren es nie alle aus den eigenen Reihen, die für sie stimmten. Im Jahr 2009, als die Union ein Bündnis mit der FDP einging, fehlten ebenfalls 9 Stimmen, 2013 fehlten 42 Stimmen. Das muss man jedoch immer im Verhältnis betrachten zu den insgesamt mindestens erforderlichen Stimmen. Wie gesagt, das hängt von der Anzahl aller gewählten Abgeordneten ab. Je schwächer ein Regierungsbündnis, desto mehr Gewicht bekommen Abweichler. Aus diesem Grund schmerzen wohl die 35 Abweichler, denn die erforderliche Mehrheit wurde mit gerade einmal neun Stimmen mehr als erforderlich erreicht.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

DSGVO Cookie Consent mit Real Cookie Banner