Für mich ist schreiben kein Therapieersatz. Ich schreibe, weil ich Freude daran habe, mir eine Geschichte auszudenken, ein Bild mit Wörtern zu malen oder der Frage „Was wäre wenn?“ nachzugehen.
Bestimmten Facetten des Kreativen Schreibens kann ich daher wenig abgewinnen. Dennoch gibt es einen interessanten Ansatz, über den ich vor ein paar Tagen gestolpert bin. So kann man einen Teil seiner Persönlichkeit abspalten, um daraus eine Geschichte zu entwickeln. Hört sich wild an und ich hab es mit Sicherheit auch falsch auf den Punkt gebracht. Persönlichkeitsspaltung würde ich auch in der Form selber nicht betreiben. Was ich aber interessant finde, ist bestimmte Erlebnisse (aus seiner Erinnerung) zu nehmen und diese Abgetrennt für sich weiter zu entwickeln. Das was dabei entsteht, muss nicht im entferntesten mit der eigenen Person zu tun haben.
Zur Verdeutlichung ein Beispiel. Nehmen wir mal einen dieser unangenehmen Mitreisenden, denen man als Pendler immer mal wieder im begegnet. Etwa jemanden, der laut und ungeniert telefoniert und das ganze Abteil an seiner Lebensgeschichte (oder an seinen beruflichen Entscheidungen) teilhaben lässt. So jemand nervt. Meistens wird man es (wenn überhaupt) bei einer höflichen Bitte, doch etwas Rücksicht zu nehmen, belassen. Schließlich ist man zivilisiert. Was wäre aber, wenn man auf andere Art und Weise versuchen würde, dem Mitreisenden sein Fehlverhalten deutlich zu machen? Der Phantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt, denn es geht nicht darum, etwas in die Tat umzusetzen, sondern sich Möglichkeiten vorzustellen.
Ein reizvoller Ansatz dafür fällt mir gerade beim schreiben des Textes ein. Es ließe sich wunderbar auch eine Geschichte darüber schreiben, was sich alle anderen Mitreisenden ausmalen. Jeder im Abteil hasst den Telefonierer und stellt sich vor, was er am liebsten machen würde, um ihn (für immer) zum schweigen zu bringen.
Stirbt dann der Telefonierer am Ende, hat man schon fast einen Krimi. Das alles nur, weil man sich gefragt hat, was wohl wäre wenn. Natürlich lässt sich nicht vermeiden, dass man sich ein wenig besser fühlt. Wobei das in diesem Fall aber ein Nebeneffekt und Ziel der Übung ist.