Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Wenn es etwas gibt, was man nicht mit dem Rückzug von Martin Schulz nach nur 48 Stunden als designierter Außenminister verbindet, dann ist es Anstand.

Klein kluger Schachzug

Nach dem erhebliche Kritik an der Entscheidung von Martin Schulz aufkam, in einer Bundesregierung unter Angela Merkel (CDU) Bundesaußenminister zu werden, gab es gestern seinerseits einen Rückzieher. Er werde zum Wohle der Partei seine persönliche Ambitionen zurückstellen, hieß es. Das ist kein kluger Schachzug, sondern erbärmlich in einer Reihe erbärmlicher Entscheidungen. Es hat auch nichts mit Bashing zu tun, wenn man den Rücktritt kritisiert. Kritik an Martin Schulz ist Teil eines dringend notwendigen Aufarbeitungsprozesses in der SPD.

Draußenminister
Süddeutsche Zeitung über Martin Schulz

Mit seiner Entscheidung nach 48 Stunden verbinde ich auch alles andere als Anstand. Anstand wäre es nämlich gewesen, er hätte erst gar nicht solcherlei persönliche Ambitionen entwickelt.

Es fehlt Anstand

makamuki0 / Pixabay

Anstand versus Ambitionen

Das Problem der SPD sind vor allem die Ambitionen von Personen an der Parteispitze, die ihre Karriereplanung über dem Wohl der Partei stellen. Von einem Politiker wie Martin Schulz kann man durchaus vorausschauendes Verhalten erwarten. Die berechtigte Kritik, die aufkam nach dem es hieß, er würde Außenminister werden, war vorhersehbar. Sehr vorhersehbar sogar. Wer das nicht hat kommen sehen, hat nichts das Zeug zum Politiker.
Natürlich ist es grundsätzlich gut, dass Schulz einer Großen Koalition, sofern sie denn zustande kommen wird, nicht angehört. Aber der erneute Richtungswechsel kam so schnell, dass einem schwindelig wird. Vielleicht wäre es besser gewesen, zumindest bis kommenden Mittwoch zu warten. Das Tagesmotto hätte dann auch zur Zukunft der Partei gepasst: am Aschermittwoch ist alles vorbei

Tatsächlich führungslos

Derzeit gibt die SPD ein erbärmliches Bild ab. Glaubwürdigkeit? Verlässlichkeit? Beides ist nach der letzten Entscheidungen dahin. Es gibt keinen strategischen Plan, wie die Zukunft der Partei ansehen können. Es gibt nicht mal ein Plan, wen man denn aufstellen würde, käme es zu Neuwahlen. Nur ein unwürdiges Gerangel um Macht und Posten.
Mitleid mit Martin Schulz, wie man zum Teil zu lesen und zu hören bekommt, ist fehl am Platz. Wer Spitzenpolitiker sein will, von dem kann man erwarten, dass er eine Vorbildfunktion hat. Für was aber steht Martin Schulz? Für’s durchwürseln?
Anstand fehlt in der SPD auch an anderer Stelle. Die Art und Weise, wie die Krone der Parteiführung weitergereicht wird, ist widert mich an. Hier ist dringend eine basisdemokratische Abstimmung notwendig. Dazu sollten Kandidaten gefunden werden, die sich um das Amt bewerben — und nicht par ordre du mufti zur Parteivorsitzende gemacht werden.
Weniger mit Anstand, dafür aber mit Weitsicht verbunden wäre es jetzt, erstmal alles einzufrieren. Keine weiteren Personalentscheidungen, kein Durchstechen — abwarten, wie der Mitgliederentscheid ausfällt. Das wiederum erfordert Anstand von allen Beteiligten, ihre Spielchen nicht über die Presse zu spielen (Grüße an den genossen Sigmar). Und eigentlich müsste man jetzt ehrlicherweise freiwillig in die Opposition gehen. Selbst wenn die SPD bei Neuwahlen verliert, wird sie auf Dauer doch gewinnen. Vor allem die dringend benötigte Glaubwürdigkeit.

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