Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Streichhölzer und Kinder zusammen zu Hause alleine lassen, so was ist fahrlässig. Genau so wie sie zündelt Sigmar Gabriel derzeit herum.

Paulinchen allein zu Haus

In einer der Geschichten im Struwwelpeter geht es um Paulinchen. Ihre Eltern gehen aus, sie bleibt alleine zu Hause. Trotz der Warnungen ihrer Katzen Minz und Maunz spielt sie Streichhölzern herum. Es kommt wie es kommen musste, bis auf die Schuhe bleibt von Paulinchen nur Asche über. Die Erzählung lässt sich als Wahrung lesen, nicht mit dem Feuer zu spielen. An genau diese Geschichte musste ich gestern denken, als ich über das las, was Sigmar Gabriel abgesondert hat.
In einem Gastbeitrag im Spiegel (Zusammenfassung bei der SZ) fordert er die SPD auf, sich wieder mehr um ihre Kernwählerschaft zu kümmern. Allein hier gibt es bereits ein grundsätzlichen gedanklichen Fehler. Was ist denn überhaupt die Kernwählerschaft der SPD? Der klassische Bergarbeiter jedenfalls nicht mehr, auch wenn die Partei sehr darum bemüht ist, dieses nostalgische Bild pflegen. Meiner Meinung nach sollten die Sozialdemokraten sich grundsätzlich damit auseinandersetzen, für wen sie wählbar sein wollen. Und ob es überhaupt so was wie eine Kernwählerschaft noch geben wird — und wenn ja, ob diese ausreicht, um eine mehrheitsfähige Bundesregierung ohne Koalitionspartner auf die Reihe zu bekommen.

Sigmar Gabriel zündelt

Myriams-Fotos / Pixabay

Sigmar Gabriel sucht die Heimat

Um meine besondere Abneigung in Bezug auf Sigmar Gabriel habe ich hier im Blog nie ein Geheimnis gemacht. Für mich war er auch als Bundeskanzler unvorstellbar. So ging es auch vielen anderen Genossen. Mit dem Ergebnis Anfang des Jahres, das er auf den Parteivorsitz und die Kanzlerkandidatur verzichtet und Martin Schulz an die Spitze beförderte — wir alle kenne das unglückliche Ergebnis. Erst als Gabriel von der Last des Spitzenamtes befreit wurde, erschien er (mir) wieder sympathisch(er). Tatsächlich hatte ich zeitweise sogar den Eindruck, mit ihm an der Spitze hätte die SPD bei der Bundestagswahl nicht so katastrophal abgeschnitten. Hinterher jammern hilft allerdings nie.
Das möglicherweise positive Bild hat durch den bereits erwähnten Gastartikel im Spiegel einen ziemlichen Riss bekommen. Während man über die Kernwählerschaft noch diskutieren kann, bin ich bei anderen Themen dazu nicht bereit. Deshalb nicht, weil sie von der AfD kontaminiert sind und es definitiv der falsche Zeitpunkt ist, Begriffe wie „Leitkultur“ und „Heimat“ positiv zu besetzen.

Kernwählerschaft der AfD

Wenn die SPD versucht, ihre Kernwählerschaft unter den Wählerinnen und (vornehmlich) Wählern der AfD zu suchen, dann tut sie mir herzlich leid. Mich stösst es ab, wenn ich höre, man solle bestimmte Begriffe wieder positiv besetzen. Und es kotzt mich an, wenn ich von Sigmar Gabriel lese, Innere Sicherheit wäre wichtiger als Datenschutz. Dem wachsenden Rechtspopulismus tritt man nicht dadurch entgegen, dass man sich seine Standpunkte zu eigen macht.
Wenn man Industriearbeitsplätze für wichtiger hält als Umwelt- und Klimaschutz, hat man wenig von essentiellen Zusammenhängen begriffen — peinlich für jemanden, der mal Umweltminister war. Genau diese Haltung von Sigmar Gabriel bezüglich der Arbeitsplätze an in Nordrhein-Westfalen lange Zeit zu einem fatalen Festhalten der SPD an der Braunkohle geführt.

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