Der digitale Wandel ist Wahlkampf angekommen. Alle reden darüber, parteiübergreifend ist man sich sogar einig, dass Schule digital werden muss. Sogar die Grundschule soll mit einbezogen werden.
Fluch und Herzensangelegenheit zugleich
Für mich ist die Aussage, dass die Schule digital werden muss, ein alter Hut. Nein wirklich, mit dem Thema habe ich mich bereits im Studium intensiv auseinander gesetzt. Vielleicht sogar zu intensiv, denn in letzter Konsequenz führte das dazu, dass ich nicht Lehrer wurde — eine Entscheidung, die ich gerade angesichts des Lehrermangels in Nordrhein-Westfalen mittlerweile ziemlich bereue.
Digitales Lernen wurde im Studium schnell einer Herzensangelegenheit. Mich überzeugte es zum einen, weil ich Informatik während meiner eigenen Schulzeit immer als Schwerpunkt hatte, mich jedoch nicht dazu durchringen konnte, es zu studieren. Deutlich stärker als dieser persönliche Bezug wog jedoch meine Überzeugung, dass durch das digitale Lernen verkrustete Strukturen aufgebrochen werden können. Zumindest dann, wenn die richtige Vorgehensweise gewählt wird. Dazu gehört auch eine begleitende Pädagogik, die ihren Namen verdient. Schule digital, so erkannte ich, muss immer auch bedeuten, dass Lerninhalte ansprechend didaktisch aufbereitet werden.
Drill and kill
Das was es an Lernprogrammen am Anfang meines Studiums gab, kann man unter der Kategorie „Drill and kill“ zusammenfassen. Mit einer veralteten Holzhammermethode sollten Kindern Unterrichtsstoff eingetrichtert werden. Methodisch und didaktisch eher fragwürdig. Erst gegen Ende meiner Zeit an der Uni gab es erste Vertreter von Lernprogrammen, die akzeptabel waren. Dabei lag es nicht unbedingt an fehlenden technischen Möglichkeiten, sondern eher an einem blinden Glauben, allein durch den Einsatz von Computern würde Unterricht, ja die gesamte Schule, automatisch besser. Dabei gilt: ein Computer kann keinen guten Lehrer ersetzen. Er ist Unterrichtsmittel, aber nicht Unterrichtsmitte.
Die ganze Diskussion und das Thema Schule digital sind also nicht Neues. Nicht für mich und auch nicht für den gesellschaftlichen Diskurs. Manchmal brauchen Dinge etwas länger, um auch bei den Politikern anzukommen. Für viele ist die digitale Welt nach wie vor Neuland.
Schule digital im Studium
Das das Schule digital werden würde, werden müsste, zeichnete in meinem Studium ab. Eigentlich ging es nur noch um das wann und die Bedingungen, unter denen das passieren würde. Auch wenn für mich das Thema hoch spannend war, viele Kommilitoninnen (Lehramt Primarstufe hatte damals einen Frauenanteil von 98 Prozent) ließen es links liegen. Nur wenige begeisterten sich für das Fach Medienpädagogik. Zumindest damals an der Uni Bielefeld gab es Angebote. Wie das heute aussieht, kann ich nicht beurteilen. Es fällt mir schwer vorzustellen, dass an der Uni grundsätzlich digitale Lehrmittel kein Thema sind, so wie das im Artikel der Süddeutsche Zeitung von Leoni Sailer behauptet wird. Wer keine Ahnung von der Technik hat und was man damit anstellen kann — liegt das wirklich am Studium und der Uni?
So wie der Artikel von Matthias Kohlmaier anfängt, bekomme ich vor meinem Hintergrundwissen einen anderen Eindruck. Es fehlt die Bereitschaft der Studierenden, sich mit der Thematik auseinander zu setzen. Sie wollen alles in Häppchen vorgekaut bekommen, statt Eigeninitiative zu zeigen. Zudem: Twitter und Instagram muss man nicht im Studium kennen gelernt haben, man sollte es bereits vorher selber nutzen.
Digitale Analphabeten statt Nativs
Es hinken meiner Meinung nach die Universitäten hinterher, sondern die Studierenden, später die Lehrer in den Schulen. Weil ihnen die digitale Welt selber verschlossen geblieben ist, können sie auch den Schülerinnen und Schülern den Zugang nicht vermitteln. Insofern ist meine Frau in ihrer Schule so was wie ein Exot. Während jüngere Kolleginnen und Kollegen alles andere als Digital Nativs sind, bewegt sie sich in der digitalen Welt wie der Fisch im Wasser. Sie ist technisch interessiert und hat zudem noch Informatik studiert. Sie weiss, was Instagram ist — einige Kollegen Mitte 20 nicht. Dabei ist Instagram nur ein Beispiel für eine ganze Reihe von digitalen Möglichkeiten.
Um zu begreifen, welche Bedeutung die digitalisierte Welt hat, muss man sie erstmal für sich akzeptieren statt zu versuchen, sie aus dem eigenen Leben auszusperren. Das Umdenken muss zuerst in den Köpfen stattfinden, dann kann man über Inhalte des Studiums reden. Ein Teil dieses Prozesses wäre es auch, sowohl die Chancen als Grenzen auszuloten. Es reicht nicht, die Schule digital zu machen, der Unterricht insgesamt ist es, der besser werden muss. Gerüchten zu Folge geht das auch ganz analog.
2 Kommentare
Ich würde nicht mal sagen, dass technisches Interesse fehlt. Sondern Neugier, Kreativität, „Abenteuerlust“. Und das letzte bisschen was bleibt, hat oft der Schulalltag mitsamt seiner Bürokratie nach einigen Jahren gekillt.
„Sondern Neugier, Kreativität, Abenteuerlust„ — das fehlt auch. Leider schon sehr lange. Und tatsächlich killt der Schulalltag den Rest. Aus dem Grund haben auch einige aus meinem damaligen Freundeskreis das Handtuch geworfen.