Zeitnah nach einer verlorenen Wahl alles hinzuwerfen, kann man machen. Ohne richtigen Nachlassverwalter wird so was der Partei eher schaden. Insbesondere deshalb, weil eine ordentliche Nachwuchsförderung bei der SPD seit langer Zeit eine Schwäche ist.
Mütter des Erfolgs
Erfolg, so heisst es, habe viele Väter. Misserfolg nur einen. Den Spruch könnte man so auch mit Müttern umschreiben, im Kern bleibt die Aussage bestehen. Das Hannelore Kraft vergangen Woche die Verantwortung für die Wahlniederlage auf sich genommen hat, war entsprechend die Konsequenz draus. Aber war es auch richtig? Wenn eine Partei in den Wahlkampf zieht mit #nrwir, dann hat den Misserfolg nicht nur eine Person zu verantworten, sondern mindestens das Team. Wenn Genosse bedeutet auch zusammen zu stehen wenn der Wind mal etwas härter wird, nimmt man gemeinsam die Verantwortung auf sich.
Mit anderen Worten, der Abgang von Hannelore Kraft reicht nicht aus, es muss die gesamte Mannschaft ausgetauscht werden. Im Sinne der Nachwuchsförderung müssen jüngere, frische Gesichter das Ruder übernehmen. Genau das wird aber offensichtlich nicht passieren.
Alles beim alten
Als das ich das „neue“ Gesicht für den Vorsitzender der NRW-SPD zum ersten Mal sah, hat es mich schlicht umgehauen. So erfahren Michael Groschek auch ist, der bisherige Landesverkehrsminister ist definitiv die falsche Wahl. Er saß mit in der Landesregierung und hat nach meiner Lesart das Wahlergebnis mit zu verantworten. Er repräsentiert für mich die Vergangenheit der Partei. Ein Mann, der bei den Kumpels im Ruhrgebiet gut ankommt. Nur das diese fast nicht mehr existieren und bei weitem nicht ausreichen, um der SPD in Nordrhein-Westfalen einen sicheren Wahlsieg zu garantieren.
Wenn man sich in Europa umsieht, dann sind es momentan nicht die Alten, sondern die Jungen die Wählerinnen und Wähler überzeugen. Der Erfolg von Emmanuel Macron in Frankreich hat auch mit seinem Alter zu tun. Unabhängig davon, wie man zu den politischen Aussagen von Christian Lindern steht, seine FDP profitierte in NRW von seiner frischen Ausstrahlung. Über Sebastian Kurz von der ÖDP in Österreich kann man streiten, definitiv. Aber die Partei dort versteht sich offensichtlich auf Nachwuchsförderung.
Nachwuchsförderung statt alte Seilschaften
Wählerinnen und Wähler wollen zwar mitunter auch Vertrautes, ihn aber alten Wein in alten Schläuchen als Hippies Szenegetränk zu verkaufen, funktioniert nicht. Wenn Michael Groschek die SPD in NRW wiederbeleben soll, wenn SPD-Fraktionschef Römer seinen Posten nicht räumen will — was glauben die Sozialdemokraten, wie gut das draußen ankommt? Es sieht nach „weiter so“ statt nach einem Neuanfang an. Es ist aber wohl möglich auch ein Problem, welches sich aus der schlechten Nachwuchsförderung bei der SPD ergibt.
Klar kann ich so was einfach behaupten. Praktischerweise ist mein Blog auch so etwas wie ein externes Gedächtnis und erinnert mich an eine Zeit in Bielefeld, als ich mich furchtbar über den Umgang mit jungen Talenten in der SPD aufgeregt habe.
Junges Blut für die SPD
Für mich galt 2008 Nicolas Tsapos als idealer Nachfolger von Rainer Wend für das Bundestagsmandat. Die Bielefelder SPD sah das mit knapper Mehrheit anders und kürte Guntram Schneider zum Kandidaten. Ein Kandidat, der bis dahin nicht mal seinen Wohnsitz in Bielefeld hatte und was die Stadt anging, ziemlich unerfahren war. Und, was passierte? Bei der Bundestagswahl 2009 verlor die SPD den Wahlkreis 133 und das Direktmandat. Mit Gutram Schneider konnte sie die Wählerinnen und Wähler nicht überzeugen. Als Trostpreis für Guntram Schneider gab es dann einen Ministerposten unter Hannelore Kraft. Nachwuchsförderung sieht anders aus.
Hier in Köln bin ich mir sicher, dass ohne den Müllskandal (Spenden-Affäre) eine Erneuerung in der SPD nur sehr langsam von statten gegangen wäre. Fördern bedeute für mich auch, geregelte Übergänge zu schaffen, keinen radikalen Bruch. Denn der führt — man muss sich nur den Zustand der SPD jetzt in Köln ansehen.
Umgang mit Niederlagen
Wie man mit Tiefschlägen und Niederlagen umgeht, sagt viel über einen Menschen aus. In der ersten Euphorie hat man sich natürlich über die radikale Konsequenzen, die Hannelore Kraft gezogen hat, gefreut. Aber alles einfach hinzuwerfen, ist wenig mutig. Es ist er ein Verhalten von Kindern im Sandkasten, die trotzig reagieren. Mutig wäre es von Kraft gewesen, den erforderlichen Übergang selber zu moderieren.