Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Nach dem Anschlag in London stürmen viele Bilder auf uns ein. Der Terrorist rast mit dem Auto über die Westminster-Brücke, überfährt Menschen, hält vor dem Eingang des Parlaments, sticht einen unbewaffneten Polizisten nieder. Schließlich wird er selber getötet. Es sind Bilder, die in Angst versetzen, drei Monate nach der Amokfahrt in Berlin.

Dabei gibt es einen Moment, den wir noch deutlicher im Kopf, vielleicht auch im Herzen behalten sollten. Der niedergestochene Polizist verstarb, in den letzten Momenten seines Lebens war jedoch nicht alleine. Ein Abgeordneter ignorierte die Anforderungen der Polizei, sich in Sicherheit zu bringen und wurde so zur ersten Person, die sich um den Schwerverletzten kümmerte.

Anschlag im Herzen von London

Unsplash / Pixabay

Tobias Ellwood. Ein stiller Held, wie die Süddeutsche Zeitung heute schreibt. Jemand, der anderen zu helfen versucht, obwohl Gefahr für das eigene Leben droht. Jemand, der nicht weg läuft. Für mich ist das auch eine klare Botschaft. Wir stehen noch, der Terror hat uns nicht in die Knie gezwungen. Wir haben Angst, aber wir lassen uns davon nicht bestimmen.

Nach dem Anschlag wurde bei Twitter der Hashtag #wearenotafraid verwendet, um Solidarität mit den Opfern und Angehörigen zum Ausdruck zu bringen. Der Tenor hier: wir lassen uns nicht unterkriegen. Wir werden stärker, rücken näher zusammen. Wir stehen auch das durch.

Erdoğan und der Anschlag

Auf gewisse Weise ist alles miteinander verbunden. Der Anschlag wirkt wie eine Vorwegnahme von dem, was der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan gestern in Ankara sagte:

Wenn ihr euch weiterhin so benehmt, wird morgen kein einziger Europäer, kein einziger Westler auch nur irgendwo auf der Welt sicher und beruhigt einen Schritt auf die Straße setzen können.

Das ist eine eindeutige Drohung, es benötigt hier keine Auslegung. Erdoğan will, das Europa Menschenrechte und Demokratie respektiert. Ein merkwürdiger Mensch, der sein Land genau das verweigern will, was er von anderen einfordert. Schlimmer aber noch ist, wie weit er es mit dieser einen Aussage schafft, wirklich jede mögliche Brücke abzureißen.

Kein europäische Land kann und darf diese Drohung so stehen lassen. Sie ist nichts anderes als ein Aufruf zum Terror gegen uns. Darauf muss reagiert werden. Es ist ein Anschlag auf unsere Freiheit.

Keinen Schritt mehr ohne Angst auf die Straße setzen können — genau das hat vermutlich auch der Attentäter in London versucht zu erreichen. Welche Gründe auch immer bei seiner Tat eine Rolle gespielt haben, die Inspirationsquellen für den Anschlag sind eindeutig. Die Staatsbürgerschaft spielt dabei keine Rolle. Ob Brite, Deutscher mit Doppelpass oder was auch immer. Terrorismus kennt keine Staatsbürgerschaft.

Die Antrittsrede des neuen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier enthält für Erdoğan eine wichtige Botschaft. „Gefährden Sie nicht das, was Sie mit anderen aufgebaut haben.“ — eine Signal, dem auch Taten folgen sollte. Wenn wir wirklich eine streitbare Demokratie seien wollen, die Steinmeier einforderte, dann müssen wir alles dran setzen, damit der inhaftierte Journalist Deniz Yücel wieder freikommt. Den auch seine Haft ist ein Anschlag auf unsere Freiheit.

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