Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Hinter zugezogene Vorhängen, heruntergelassenen Jalousien ausharrend. Nur sich selber im Spiegel beim Schwitzen zusehend. Durch die geschlossenen Fenster Sirenen, nur ein paar Straßen weiter. Feuer, Überfall oder einfach nur ein paar Hitzetote als Tribut an den Hochsommer.
Ein Spagat der Unmöglichkeit, die Luft anhalten oder warmen Sauerstoff einatmen. Ermattendes Gähnen, die Stirn schon wieder glänzend. Kaum fünf Minuten vergangen und noch so lang bis zum Abend, der vielleicht ein Gewitter bringen würde.

Aus dem Glas Wasser neben ihm war längst die Kohlensäure entwichen, lauwarm statt eiskalt, noch immer ungetrunken. Jede Bewegung vermeidend, einzig ein kurzes Blinzeln, damit die Augen nicht ebenso austrockneten wie sein Mund. Die Zunge schon rau, befeuchtet die Lippe, welche sich nicht mehr daran erinnerten, wie es war, nicht aufgesprungen zu sein.

hotte123 / Pixabay

Die Geräusche von draußen, wieder verschwindend. Erdrückende Stille, selbst das Baby der Nachbarn unhörbar für seine Ohren. Aus der Küche kam ein süßlicher Geruch, Schalen von Obst und Speiseresten, die im Müll vor sich hin gammelten. Anfangs noch ein störender, abstoßender Geruch, der zunehmend etwas betörendes bekam. Trägheit des Körpers, der Gedanken. Zähflüssig. Vergeblich der Versuch, nicht einzuschlafen.

Die Augen mussten zugefallen sein nur kurz wie er glaubte. Jedoch, im Zimmer war es merklich dunkler geworden. Der Wille, weiter liegen zu bleiben wurde vom Drang seiner Blase gebrochen. Mühsam das Aufstehen, schmerzhaft jeder Schritt ins Badezimmer. Der Toilettensitz klebte an seiner Haut. Die Dusche kam ihm in den Sinn. Als er den Vorhang zurück zog, sah er ihr wieder in die Augen. Der gebrochen Blick, der erstarrte überraschte Gesichtsausdruck. Das Stück Seife, auf dem die sie ausgerutscht war. Nicht seine Schuld, ob wohl er es gewesen war, der das Duschgel vergessen hatte. Ja, sie war daraufhin nörgelig geworden. Unerträglich, wie er sich jetzt eingestand.

Nicht seine Schuld, dass er, als er sich ihrer Hilflosigkeit bewusst wurde, etwas nachgeholfen hatte. Nur ein Schlag mit dem Duschkopf, der neben ihr gelegen hatte. Heruntergerissen von ihr selber im Versuch, sich am Schlauch festzuhalten.

Mit schlurfenden Schritten ging er zurück ins Wohnzimmer. Statt sich auf das Sofa fallen zu lassen, riss er die Tür zum Balkon auf. Luft, frei atmen. Aber es war nur die Hitze eines ganzen Tages, die ihm mit voller Wucht entgegen schlug. Unter seinen nackten Füßen brannte der Beton, als er zwei Schritte auf den Balkon heraustrat.

Abgestützt auf das Geländer schrie er mit der ihn noch verbliebene Kraft seine ganze Verzweiflung heraus. Die, die ihn hörten, verstanden seine Sprache nicht. Wie auch, in einem Land, in der er nur als Zugezogener galt, dessen Gebräuche ihm wie alles andere fremd geblieben waren. Deutschland. Weit weg. So weit, dass selbst die Sehnsucht keinen Weg zurück fand.

Stück für Stück beugte er sich weiter nach vorne, ließ das Geländer los. Noch ein Stück, dann tat ihm die Schwerkraft endlich den Gefallen.

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