Von allen guten und bösen Geistern verlassen

In den letzten Monaten habe ich mir immer wieder die Frage gestellt, wie es mit Evernote, dem Dienst, der angeblich „für die Ewigkeit“ (laut Firmengründer) gedacht ist, weitergehen wird. Als intensiver Nutzer von Evernote mit einer nicht kleinen Anzahl an Notizen macht man sich halt so seine Gedanken. Insbesondere dann, wenn Funktionen verschwinden oder Feature nicht weiterentwickelt werden. Evernote „Hello“ ist Geschichte, Evernote „Food“ dümpelt mehr oder weniger vor sich hin. Stück für Stück führt das bei mir dazu, dass ich statt alles mit einem Dienst zu machen, Spezialisten für bestimmte Aufgaben heranziehe.

Die Möglichkeiten von Erinnerungen sind bei weitem nicht ausgeschöpft — hier habe ich für meinen Teil wieder zurück gegriffen auf Bordmittel von Apple. Zwar kann man mittlerweile etwas mehr machen mit Tabellen in Evernote, aber es ist immer noch zu mager. Über das, was im Hintergrund an Quelltext produziert wird, schweigen wir lieber. Viel wichtiger als ein „Work Chat“, den ich für meinen Teil weder brauche noch nutze, wäre es, Notizen in Markdown zu schreiben — so hätte man eine deutlich besser Kontrolle über die Formatierung. Genau so jammere ich schon seit der Abschaffung über die fehlende Navigation (vor und zurück) in einem Notizfenster. Evernote könnte mühelos wie Wiki einsetzbar sein, wenn man herausgenommen Funktionen wieder rein nimmt und an ein paar Stellen kleine Veränderungen vornimmt. Statt dessen kommt mir Evernote mittlerweile vor wie eine riesige Sammelmappe mit, zugegeben, guter Suchfunktion.

Es hilft zwar ungemein, wenn man weiss, dass man Sachen wiederfinden kann, wenn sofern die richtigen Suchbegriffe verwendet werden. Es ist aber schade, dass sich Evernote jedem Versuch, sein Wissen besser zu strukturieren, hartnäckig widersetzt. Die zahlreichen Tipps und Tricks zum Beispiel von Herbert Hertramph sind hilfreich wie nützlich, es ist aber zum Teil mit erschreckend viel Handarbeit verbunden.

Um es in der Kurzform auf den Punkt zu bringen: Evernote ist kein Wiki und wird es aller Voraussicht nach auch nie werden. Mein Problem (nach etwas Recherche in den letzten Tagen glaube ich, nicht der Einzige damit zu sein) ist jedoch, dass es Themengebiete gibt, die ich mir systematischer erschließen will als es mit Evernote möglich ist. Erst vor ein paar Wochen hatte ich mich auf die Suche nach Alternativen gemacht, mit spärlichen Ergebnissen. Viel weiter gekommen bin ich bisher nicht.

MDWiki

MDWiki

Eine neue iOS-Version von DevonThink steht nach wie vor aus (man könnte fast wetten, was früher fertig ist: Scrivener für iOS oder die neue DevonThink Version…). VoodooPad habe ich unter Beobachtung, auch wenn, wie bereits erwähnt, das Vertrauen nicht besonders hoch ist. Zwei Möglichkeiten, beide ohne brauchbare mobile Anwendung, möchte ich an dieser Stelle jedoch erwähnen. Beide habe für sich genommen ihren Reiz. MdWiki ist eine Datei, die man entweder auf einem Server hostet oder aber in Verbindung mit einem öffentlichem Dropbox beziehungsweise Google Drive Verzeichnis nutzt. Alles Markdwon-Dateien die sich im selben Verzeichnis befinden, lassen sich damit zu einer Art Wiki zur Verfügung stellen. Sogar kleine (wirklich kleine) Webprojekte ohne besonderen grafischen Anspruch sind damit möglich – alles auf der Basis von reinen Textdateien mit Markdown-Syntax. Für private Notizen eignet sich das aus Sicherheitsgründen allerdings eher weniger. Umfangreiche öffentlich gedachte Sammlungen dürften durch die fehlende Suchfunktion an die Grenzen kommen.

Tiddly Wiki

Tiddly Wiki

Bei TiddlyWiki gibt es eine solche Suchfunktion. Zudem Tags und ein paar nette Erweiterungen, mit denen man dann auch in Markdown-Syntax seine Einträge schreiben kann. Zugegeben, TiddlyWiki sieht ziemlich sexy aus. Technisch ist das wirklich State of the Art — bis auf das Problem mit der Speicherung. Eine Datei im Browser hat keine Speicherfunktion und die bisherige Lösungsstrategie führt daher dazu, dass immer neue Versionen einer Datei entstehen. Einer Datei, die mit jedem Eintrag in das Wiki immer größer wird. Zumindest läuft TiddlyWiki mittlerweile auch im Safari Browser, da auf die Java-Funktionen aus früheren Versionen verzichtet wurde. Ansehen sollte man sich TiddlyWiki auf jeden Fall.

Ich für meinen Teil habe gestern Abend etwas Zeit mit dem bereits vom mir am 24. März erwähnten Trunk Notes verbracht. Zwar ist die nur für iOS verfügbar App noch weit von einer Traumlösung entfernt, hat aber doch ihren Charme, wenn man etwas genauer hinschaut. Es gibt, wie ich vor ein paar Wochen bereits kritisierte, keine Desktop-Version. Dafür aber werden zwischen verschiedenen iOS-Geräten die Daten über Dropbox synchronisiert. Dabei sind die Datei in der Dropbox nichts anderes als Text-Dateien mit Markdown-Syntax, die man mit jedem Texteditor unter Mac OS X bearbeiten kann. Selbst neu Markdwon-Dateien im Dropboxordner erkennt Trunk Notes und integriert sie bei der Sychronisierung.

Über die Desktopversion von Ulysses und den eingebundenen Ordner kann man also ganz bequem alle Dateien in seinem Wiki bearbeiten (auch wenn die Links nur in Trunk Notes selber funktionieren), ohne Trunk Notes in den Wi-Fi-Modus zu versetzen, mit dem sich im Webbrowser das Wiki bearbeiten lässt. Möglich sind auch weitere Spielereien, wie die Erstellung einer neuen Seite über Drafts. Bis es eine Alternative gibt, werde ich mich auf jeden Fall etwas intensiver mit Trunk Notes beschäftigen. Es ist kein Ersatz für Evernote, welches nach wie vor seine Berechtigung hat, aber eine mögliche Ergänzung, um bestimmte Inhalte strukturierter für mich aufzuarbeiten. Dadurch, dass alle Inhalte als reine Textdatei vorliegen, ist es auch permanent zugänglich. Theoretisch kann man später aus dem, was man mittels Trunk Notes erfasst und aufbereitet hat, über Markdown ein E-Book machen.

4 Kommentare

  1. Schöner Artikel! Werde demnächst darauf verlinken, stimme Dir auch in vielen Punkten zu. Wenn Du in Richtung Wiki überlegst, könnte auch Dokuwiki was für Dich sein – viele Plugins, schnell installiert, klein, braucht noch nicht mal eine SQL-Datenbank, Passwortschutz, Nutzerverwaltung usw. Aber das nur am Rande.
    TiddlyWiki und andere habe ich die Jahre vor Evernote benutzt, auch heute noch würden mich kleine Tools wie z. B. CintaNotes u. a. reizen. Aber meine Erfahrung durch die Jahre hinweg: je mehr Tools ich nutze, um so verworrener wird die Angelegenheit. Immer muss ich mich zurückerinnern: „Mit welchem Tool hast Du damals Dein Outline/Dein Brainstorming erstellt?“, „Was war die Tastenkombination gleich noch mal bei diesem Tool?“, „Hatte ich nicht zwischendrin gewechselt – moment, hier muss ich die Dateien anders benennen“ usw. usw.
    Ganz ohne Evernote-Ergänzungen geht es zwar nicht – bei mir: Todoist und Writemonkey – aber wo immer es geht, verzichte ich auf weitere Systeme und nehme eher in Kauf, dass etwas in Evernote nicht ganz so perfekt aussieht/gelöst ist. Vor allem muss ich die Informationen wirklich auf allen Geräten gesynct bekommen, Arbeitsplatz, zu Hause, Desktop, iPhone, iPad, Windows – das schaffen zwar noch kleinere Notizentools wie z. B. SimpleNote, wenn es aber doch mehr sein muss, wird es dünn auf dem Markt – gerade noch OneNote ist inzwischen ähnlich breit aufgestellt. Und was nützt mir ein super-schön eingerichtetes Wiki mit tollen internen Verknüpfungen, wenn ich einem Studenten im Uni-Block A eine Auskunft geben muss, mein Büro aber in Uni-Block B ist … Dann lieber ein Programm richtig von vorne bis hinten kennen, das eigene Ordnungssystem in diesem Programm so optimal wie möglich gestalten – und mit einigen Unzulänglichkeiten leben.
    Was ich aber wie Du nicht verstehe: Warum ergänzen die Leute nicht mit wirklich ganz, ganz simplen Sachen ihren Editor? Es müssen ja nur einige Überschriften-Formate/Absatz-Formate usw. sein – Nutzer fordern das seit Jahren, keine Ahnung, warum die sich nicht um solche Sachen kümmern …
    Okay, das mal kurz von meiner Seite.

  2. Danke! Dokuwiki hab ich mir schon mal angesehen, ist aber eben leider ohne iOS-App (für mich eine wichtige Anforderung).

    Deine Beobachtung bezüglich dem Einsatz von mehr Tools finde ich interessant. Das trifft auch bei mir den Nagel auf den Kopf. Sobald man einmal damit angefangen hat, Dinge wieder aus Evernote auszulagern muss man sich merken, wo sie sind. Wobei es noch etwas einfach ist: Rezepte in der Rezepte-App, Aufgaben in der Aufgaben App. Danach aber wird es haarig.

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