Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Ostern versetzt mich jedes Jahr aufs Neue in Erstaunen. Im Gegensatz zu Weihnachten trifft mich das höchste christliche Fest zunehmend unvorbereitet. Zu einem Teil liegt das am flexiblen Datum, welches nach kompliziert wirkenden Verfahren berechnet wird. Mir ist da Weihnachten lieber, weil Heiligabend immer auf den 24. Dezember fällt.

Es gibt, zumindest soweit ich weiss, keinen Osterkalender, der mit Schokolade oder ähnliches gefüllt ist. Typische Osterlieder, die sich wie die Ohrwürmer aus der Weihnachtszeit im Kopf festsetzen, kenne ich auch keine. Das was das besondere der Adventszeit für mich ausmacht, fehlt mir völlig in Bezug auf Ostern. Keine Kerzen, von denen jeden Sonntag eine mehr angezündet wird. Kein Osterbaum. Vor allem, wenn ich an die Kindheit zurück denke, mickrige Geschenke im Vergleich zu Weihnachten. Und das, so dachte ich schon damals, soll wirklich der höchste Feiertag sein?

Abgesehen davon finde ich Winter und Herbst eindeutig besser als Frühling, obwohl ich nicht mal unter Heuschnupfen leide. Es kann aber auch sein, dass mir das besondere Ostergefühl abgeht, weil ich mich bestimmten Ritualen unterwerfe. Würde ich ab Aschermittwoch mit dem Fasten beginnen, wäre mir die Zeit bis Ostern garantiert wesentlich präsenter. So kommt Ostern unerwartet. Nein, eigentlich ja nicht, schließlich steht der Tag im Kalender. Richtig in Stimmung für Ostern zu sein ist aber so eine Sache. Manchmal liegt Ostern so früh im Jahr, dass bei uns die Osterdeko erst dann in der Wohnung verteilt wird, wenn es fast schon zu spät ist. Immerhin, ist gibt so was wie Dekoration. Dazu gehören selbstverständlich auch Hasen — nur eine Häschenschule befindet sich noch nicht in unserm Besitz.

Mit Glauben jedoch hat das wenig zu tun. Wenn die Einzelhändler Unzeiten vor Ostern dekorieren, glauben, nein hoffen sie eigentlich auf mehr Umsatz. Und ich dekoriere, weil man es halt so macht und ich es von früher so kenne. Ostern also als eine Art Gewohnheit. Oder, wenn man so will, ein leer gewordenes Ritual, für manche dann mit einem Gottesdienst als Event. Besonders für Menschen, die sonst, abgesehen von Hochzeiten, Todesfälle, Taufen und Weihnachten, nie in einer Kirche zu sehen sind.

Mir selber muss ich auch die Frage stelle, was mir Ostern denn eigentlich überhaupt noch bedeutet. Die einfache Antwort ist die, dass ich zumindest um seine Bedeutung weiß und mich wenn auch auf Distanz dem Glauben verbunden fühle. Für mich gehört es selbstverständlich dazu, den Karfreitag in seiner Sonderstellung zu achten. Eine Diskussion um das Tanzverbot am Karfreitag halte ich für meinen Teil für unnötig. Wer meint so intensiv auf die Trennung von Kirche und Staat pochen zu müssen, sollte tanzen dürfen. Aber bitte nur, wenn er ohne Ausgleich auf den Karfreitag als Feiertag verzichtet und am Ostermontag ebenfalls ganz normal zur Arbeit geht. Gerne kann er auch mit Menschen tauschen, die Familie haben und es zu schätzen wissen, wenn sie einen christlichen Feiertag mit ihrer Familie verbringen können, statt zum Beispiel im Krankenhaus ihrer Arbeit nachzugehen.

Ostern, glaube ich, könnte uns allen wieder wichtiger werden, wenn wir uns an die Bedeutung erinnern und erinnern lassen.

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