Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Bei den letzten beiden Spieleabend tauchte, trotz unterschiedlicher Personenkonstellation, die gleiche Frage auf: „Wie wir man eigentlich Spielautor?“. Zur Erklärung muss man ergänzen, dass es nicht um elektronische Spiele geht, sondern um Brett- und Kartenspiele. Irgendwoher müssen schließlich auch die ganze Neuheiten stammen, die man bis heute auf der vor wenigen Stunden zu Ende gegangenen Spielemesse in Essen bestaunen konnte.

Nun bin ich trotz einer großen Leidenschaft für Brettspiele, sicher kein Experte, um diese Frage fachgerecht zu beantworten. Aber ein paar Mutmaßungen kann ich schon loswerden, zumal es in Biographie ein paar Berührungspunkte zum Thema gab. Die Frage, wie man Spieleautor wird, habe ich mir zusammen mit ein paar Freunden vor einigen Jahren in Wesel selber gestellt. Uns geisterten ein paar Ideen durch den Kopf, was schließlich dazu führte, dass wir ein eigenes Spiel entwickelten. Es hatte einen variablen Spielplan (lang bevor es die Siedler von Catan gab), verschiedene Rohstoffe und Wikinger, die alles bevölkerten — was dem Spiel leider zum Durchbruch fehlte, waren ausgereifte Siegbedingungen. Welche, die über das schlichte „hau alle anderen Spieler vom Brett“ hinausgingen.

Rückblickend waren wir Kinder der Zeit, oder besser gesagt, der Spiele, die wir selber gespielt haben. Risiko, Targui und Civilization (das von Avalon Hill, nicht das Spiel von Sid Meier). Nimmt man heute viele der Spiele von damals wieder zur Hand, stellt man fest, wie sich die Spielwelt verändert hat. Die Anforderungen sind höher geworden. Targui ist zwar ganz nett, kann sich aber kaum mit heutigen Spielen messen. Allerdings gibt es auch Klassiker von Sid Sackson wie Aquire, die schlicht und einfach zeitlos sind — ihr Spielmechanismus ist perfekt ausbalanciert.

Ausbalanciert ist das Stichwort, mit dem man wieder an die einleitende Frage anknüpfen kann. Meiner These zu folge steht am Anfang eines jeden Spiels nicht der thematische Hintergrund, sondern der Mechanismus. Ganz nebenbei, es gibt sowohl Spiele, die ganz ohne Thema daher kommen als auch welche, bei denen das Thema über die Jahre mehrfach ausgetauscht wurde (man sehe sich hier mal die Entwicklungsgeschichte von Alhambra an). Der Mechanismus also. Mich holte das Erfinden von Spielen wieder im Studium ein, als ich für ein paar Schulpraktika Spiele entwickelte, um diese im Unterricht zu verwenden. Dann wurde es lange ruhig um das Thema. gespielt habe ich zwar weiter, sogar kontinuierlich, aber der Ehrgeiz, selber ein Brettspiel zu entwickeln, war mir abhanden gekommen.

Also die Frage vor einer Woche zum zweiten mal auftauchte, ließ sie mich nicht mehr los. Dabei geht es mir gar nicht darum, Spieleautor zu werden — die Sache mit dem Krimi-Autor ist zeitintensiv genug — sondern herauszufinden, wie man von einer Idee zu einem Spiel kommt. Die Chance, in Essen echte Spielautoren auf der Messe zu befragen, habe ich wie so oft nicht genutzt. Statt dessen nahm in den letzten Tagen in meinem Kopf etwas Gestalt an. Es gibt Spiele wie das Kennerspiel 2014, „Istanbul“, bei denen es ein fein abgestimmtes Zusammenspiel einzelner Regelelemente gibt. Auf der anderen Seite hat man Spiele (auch aus diesem Jahrgang) wie Krosmaster Arena, die recht einfach gestaltet sind. Um meiner Frage weiter nachzugehen, wollte ich irgendwas dazwischen entwickeln. Nichts serienreifes, sondern nur eine Version, die ich zu Hause im kleinen Kreis testen kann.

Die Frage führte mich zur Neugier, wie es sich anfühlt, Dinge miteinander zu verbinden, selber Regeln zu entwerfen. Es ist vom Gefühl her etwas ganz anderes als eine Geschichte, gar einen Roman zu schreiben. Auch das Endergebnis unterscheidet sich erheblich. Bei einem Krimi unterhält die Geschichte den Leser alleine. Ein Spiel unterhält zwei oder mehr Personen an einem Abend.

Einer meiner Lieblingstechniken, um eine Idee auzubrüten ist es, sie als Einschlafproblem zu verwenden. Wenn ich nachts wach liege und nicht einschlafen kann, nehme ich mit eine Solche Idee oder ein bestimmtes Problem vor. Entweder löse ich es dann (in den selteneren Fällen) oder aber ich schlafe beim grübeln einfach ein. Beides ist akzeptabel. In Bezug auf meine Spielidee und eine Flasche Wein, die mir nicht ganz so bekommen ist, konnte ich mich vom Beginn des letzten Herbstferienwochenendes bis heute dem grundlegenden Mechanismus meines kleinen Experimentes weiter näher. Raumschiffe im Weltraum, Szenarien, wilde Schlachten. Dazu benötigt man jedoch zuerst einmal einen grundlegenden Bewegungsmechanismus, so etwas wie Treibstoff, Schutzschilde und Waffen. Sechs Jäger bekämpften sich heute Nachmittag auf unserem Wohnzimmertisch. Eine schnelle Schlacht, die ausgewogen ausging — meine Frau vernichtet mein letzte Schiff mit ihrem letzten Schiff durch Kollision.

Für den nächsten Durchgang werden wir den Treibstoffvorrat pro Schiff erhöhen, denn der war wohl etwas zu knapp bemessen, was Ursache für den Kamikaze-Angriff war. Was aus dem Versuch letztendlich wird, werden die kommenden Wochen zeigen. Möglicherweise gibt es dann noch Folge-Artikel zum Thema „Wie wird man Spieleautor“.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

DSGVO Cookie Consent mit Real Cookie Banner