Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Inklusion ist eines der Themen, bei dem man sich nach allen Regeln der Kunst die Finger verbrennen kann. Selbst dann, wenn man offen die Wahrheit ausspricht. Derzeit breit diskutiert wird der Fall des elfjährigen Henri aus Walldorf, der in Baden-Württemberg ein Gymnasium besuchen soll. Schließlich, so eines der Argumente, würden dort alle seine Freunde hingehen. Kein Problem, denkt man sich ganz unbedarft, wenn der Junge für das Gymnasium geeignet ist, soll er doch diese Schule besuchen. Allerdings, an dieser Stelle wird es kompliziert, hat Henri das Down-Syndrom und wird mit Sicherheit niemals Abitur machen.
baum_rheinhafen_2014Ist es jetzt „gesellschaftliche Teilhabe“ und die Umsetzung des Rechts auf Bildung, wenn man Henri den Besuch des Gymnasiums ermöglicht? Sollte nicht eine inklusive Schule gerade solche Menschen wie Henri auch mit tragen? Keine leichte Antwort.

Böswillig unterstellt wird hier ein süßes Kind mit Down-Sysdrom enormen und zu einem Fall stilisiert, bei dem mit aller Gewalt Inklusion durchgesetzt oder in Bezug auf die Gegner der Aufnahme verhindert werden soll. Verwechselt wird dabei bei den Befürwortern der Inklusion leider Chancengleichheit mit Gleichmacherei. Ob man dem Kind auch wirklich ein Gefallen damit tut, sei dahingestellt. Niemand lässt einen Nichtschwimmer mit dem Hinweis, er müsse sich einfach nur immer am Rand festhalten ins 25-Meter Becken.

Sollte Henri im Namen der Inklusion aufgenommen werden, bedeutet dies eine Erosion des bisherigen, dreigliedrigen, Schulsystems. Denn alle anderen Eltern, deren Kindern keine Gymnasialempfehlung fragen sich zu Recht, warum sie ihr Kind nicht auf ein Gymnasium schicken sollen. Vielleicht schafft der Nachwuchs ja mit viel Glück trotzdem das Abitur. Ansonsten halte eben nicht. Zumindest in Nordrhein-Westfalen hat man aber bei Misserfolg auf dem Gymnasium nicht mal den Hauptschulabschluss, dank G8.

Inklusion in Deutschland scheitert jedoch weniger am Grundgedanken, sondern am derzeitigen Bildungssystem. Ziel die (Schul-)Bildung sollte es sein, jeden Menschen die best mögliche Förderung angedeihen zu lassen und ungleiche Startbedingungen auszugleichen — Chancengleichheit. Das dreigliedrige Schulsystem kann diese weitestgehend nur euch Exklusion leisten. Es stehen weder die Mittel noch Lehrkräfte zur Verfügung, um Inklusion im Sinne echter Chancengleichheit an Regelschulen umzusetzen.

Der Fall Henri wird so zum Prüfstein. Drei Möglichkeiten gibt es. Entweder wird seine Aufnahme ans Gymnasium verweigert, denn gute Gründe sprechen dagegen. Oder aber er wird aufgenommen, mit den oben skizzierten Folgen. Die dritte, weitest gehende Möglichkeit, die auch im Sinne der UN-Bildungscharta wäre, bestünde in einer Revolution des Bildungssystems und würde die Abschaffung der bisherigen Schulformen zur Folge haben. Letztendlich ist die Frage, was uns das Bildungssystem und die Zukunft unserer Kinder wert ist. An ein bestehendes Gymnasium gehört Henri sicher nicht. Aber an eine Schule für alle Kinder von der ersten bis zur zehnten Klasse.

2 Kommentare

  1. Schließe mich deiner Meinung an.
    Die Schule sollte nach den Möglichkeiten des Kindes ausgesucht und gewählt werden und nicht nach den Wünschen der Eltern.
    Der Vergleich mit dem Nichtschwimmer trifft es auf den Punkt.

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