Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Allen Märchen und Geschichten, die man uns als kleine Kinder erzählt hat, zum Trotz gibt es in unserem Alltag, die Lüge. Dabei ist Lüge nicht gleich Lüge, denn es gibt viele, zum Teil auch feine Unterschiede.

„Du sollst nicht lügen“ ist allerdings keines der biblischen Gebote, denn im achten Gebot heisst es lediglich „Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten.“ Das ist, mit Verlaub, etwas anderes. Zwar fällt es auch unter die Kategorie „Lügen“, bezieht sich jedoch ausschließlich auf das, was man über andere sagt. Die meisten Lügen, die wir im Alltag von uns geben, betreffen jedoch uns selber. Notlügen. Verlegenheitslügen, Lügen aus Bequemlichkeit oder aus Angst vor Entdeckung und Strafe.

Die so genannte Notlüge hat dabei, man merkt es an der Bezeichnung, eine Sonderolle — so wie Notwehr den Einsatz von Gewalt rechtfertigen soll, geht es bei der Notlüge (angeblich) darum, Schaden abzuwenden. Beispielsweise, wenn man unter Folter etwas gesteht, was eigentlich nicht der Wahrheit entspricht. Wenn man dann dabei jemand anders belastet, steht diese Notlüge ausgerechnet auch noch im Konflikt zum achten Gebot.

Bequemlichkeitslügen, allgemein auch als Ausreden bekannt, springen uns nahezu unbemerkt von unserem eigenen Gewissen täglich von den Lippen. Man hat keine Lust mit jemanden zu telefonieren, lässt den Partner ans Telefon gehen und sich verleugnen „der schläft grade; liegt in der Badewanne; geht mit dem Hund spazieren“ — oder ähnliches. „Morgen ist ganz schlecht, da habe ich Volleyball“; obwohl man seit Wochen nicht mehr da war und an dem Tag lieber zu Hause faul vorm Fernseher rumhängen statt sich mit seinen Freunden treffen will.

Angst vor Entdeckung oder Strafe. Es müssen gar nicht die großen Verbrechen sein, die dahinter stehen. Die Betriebsfeier war umwerfend, genauso wie die neue Kollegin, Alkohol floss reichlich und am Ende landete man im Hotelbett, allerdings nicht alleine. Offen mit seiner Frau darüber reden stellt keine Option da, als lügt man sie an. Man hat sie hintergangen, heisst es. Oder aber es ist die Frau, die schon länger einen anderen hat, ihren Mann „die Hörern aufgesetzt hat“ und ihn dabei im glauben lässt, sich regelmäßig mit einer guten Freundin zu treffen, die das auch noch bestätigt. Eine Lüge mit Komplizenschaft.

Unvollständig ist diese kurze Übersicht bestimmt. Ganz sicher fehlt einer der eigenartigsten Lügen: die unausgesprochene Lüge. Sie ist komplizierter. „Ich weiss, dass du weisst, dass ich weiß….“. Alle Beteiligten wissen, was Sache ist, dennoch wird es unter den Teppich gekehrt, verschwiegen. Jeder in der Familie weiß (oder ahnt), dass der Vater die 13-jährige Tochter missbraucht, aber niemand spricht es aus oder an. Zur Polizei geht erst recht niemand. Alles bleibt in der Familie. Der Vater nutzt seine Position aus, wissend das jeder über sein Treiben Bescheid weiß.

Dabei muss man nicht so hoch greifen, und einen Missbrauch nehmen. Die unausgesprochen Lüge hat viele Gesichter. Sie vergiftet schleichender die Brunnen als die anderen Formen der Lügen. Stück für Stück ändert sich das Klima, man lächelt sich an, meint aber etwas ganz anderes.

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