Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Statt Weihnachtslieder war im ganzen Haus die Kreissäge zu hören, die draußen im Garten lief. Jörn Böttcher hatte sie im Sommer angeschafft, um dem heimischen Kamin günstig mit Nachschub zu versorgen. Das zersägte Europaletten wenig romantisch aussahen, störte ihn kaum. Überhaupt gab es den Kamin im Reihenhaus nur deshalb, weil seine Frau sich einen gewünscht hatte. Normalerweise gab Böttcher nichts auf die Wünsche seiner Frau. Der vorletzte, den er ihr erfüllte, saß in seinem Zimmer an einer Konsole und spielt irgendwelches Zeug und gab ansonsten Widerworte. Zumindest dann, wenn er sich sicher war, schnell genug weglaufen zu können.

Mit dem Kamin erkaufte Böttcher sich im Frühjahr das Schweigen seiner Frau. Das sie die Treppe heruntergestürzt sei, nahm ihr dennoch niemand aus dem Bekanntenkreis ab. Zum Glück, sinnierte Jörn, war dieser recht überschaubar und für ein paar Tage krankschreiben lassen konnte sich seine Frau, so dass von den Kollegen niemand auf die Idee kam, Fragen zu stellen. Die Temperatur lag bei viereinhalb Grad über dem Gefrierpunkt, was sowohl für die Wetterlage als auch die Stimmung im Hause Böttcher zutraf. Es würden schneefrei Weihnachtstage werden, was Böttcher wenig störte. Da das Etwas, was er ungern Sohn zu nennen pflegte, durch Schneeräumen auf dem Gehweg keinen Ausgleich schaffen konnte, hatte Jörn Böttcher das diesjährige Pflichtgeschenk entsprechend ein paar Nummern kleiner gekauft. Für seine Frau konnte er dank eines Gutscheins bei einem Onlineversandhaus auch noch mal richtig sparen. Seine Dauerkarte für den FC kostete schließlich genug, da musste man eben Prioritäten setzen.

Die Kälte ließ seine Finger klamm werden, daher zog sich Böttcher Wollhandschuhe über. Eine Kombination, die schlecht zur Arbeit an der Säge passte, denn er blieb damit immer wieder am grobfaserigen Holz hängen. Bevor er seinen Fehler korrigieren konnte, übertönte sein Schrei die Säge, mit der er sich die rechte Hand abgetrennt hatte. Bevor ihm schwarz vor Augen wurde, schaffte er es gerade noch, die Maschine auszuschalten. Das letzte, was er sah, war seine Frau, die mit Spültuch über der Schulter und in Küchenschürze herausgestürzt kam.

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