Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Hätte Erich Honecker gewusst, was uns eine bekannte Werbung derzeit vermittel, dann wäre der Antifaschitische Schutzwall (umgangsprachlich: die Mauer) rechtzeitig durch eine Hülle aus Latex ersetzt worden. Bösen Gerüchten zu folge war der Antifaschitische Schutzwall eigentlich dazu da, das ganze braune Gesocks unter Kontrolle zu halten – er sollte also nicht den Osten vor dem Westen schützen, sondern umgekehrt. Daher haben ja auch Politiker wie Franz-Josef Strauß sich durch zahlreiche Divisengeschäfte um den Erhalt der DDR verdient gemacht.

Aber mal im Ernst: Wie jedes Jahr um diese Zeit kann ich immer nur darauf hinweisen, dass ich von dem Aufkauf (pro Einwohner 100 DM) der ehemaligen DDR nicht so angetan war. Damals, als ich noch bei den JUSOs war, hielten wir den Prozess der Vereinigung für viel zu schnell. Eine Meinung, die ich auch heute noch vertrete. Nicht, weil die Einheit sehr viel gekostet hat, sondern weil dabei ein nicht unerheblicher Teil ostdeutscher Menschen gehörig über den Tisch gezogen und ihnen dabei sugeriert wurde, dass die dabei entstehenden Wärme Nestwärme sei.

Ist der 3. Oktober ein Tag zum feiern? Eher weniger. Wir sollten kritisch hinterfragen, was falsch gelaufen ist in den letzten Jahren und wer daran Schuld trägt. Denn im Gegensatz zu dem, was uns der dicke Kanzler damals versprach, geht es eben nicht vielen besser, sondern eher schlechter. Ich möchte bestimmte Tendenzen sicher nicht entschulden oder auch nur Verständnis dafür zeigen, wenn rechte Deppen „Ausländer klatschen”, dennoch steht eins fest: wir hier im Westen tragen auch Schuld an dieser Entwicklung.

Wir waren der Meinung, mit Geld (dem Solidaritätszuschlag, der auch in Ostdeutschland bezahlt werden muss) und großen Worten ließe sich alles machen. Tatsächlich aber haben wir die Menschen aus der ehemaligen DDR nicht mit offenen Armen empfangen. Und wenn doch, dann nur deshlab, um sie festzuhalten, wärend wir uns Baugrundstücke angeeignet haben.

Sicher sind solche Äußerungen nicht frei von Polemik. Wer aber ehrlich zu sich selber ist, wird darin zumindest ein Körnchen Warheit entdecken. Nutzen wir also den Rest des Tages nicht, um weiter darüber zu jammern, was wir falsch gemacht haben, sondern überlegen wir uns gemeinsam, was wir besser machen können.

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