Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Irgendwo anders in Köln wachte Kardinal Reisser mit einem Gefühl des Unwohlseins auf. Er stand auf und ließ seine Füße in die alten Filzpantoffeln gleiten, die er noch vor der Wende in Eisenach gekauft hatte. Auf dem Stuhl hing seine Sonate. In ihr fühlte er sich immer wie eine alte Schwuchtel. Vielleicht war er das ja auch. Vor dem Waschbecken stehend, sammelte er Speichel im Mund und spie die Reste des Messweins vom gestrigen Abend aus. Das Gesicht im Spiegel passte zu den Kopfschmerzen. Reisser lies seine Blick durchs Zimmer schweifen. Trotz aller Kargheit war dies kein Zimmer der Kirche. Dort wäre er von dem Prunk umgeben, an den er sich in den langen Jahren seiner Amtszeit nicht unbedingt widerwillig gewöhnt hatte. An einer der nicht mehr ganz weißen Wänden des Zimmers, in dem er sich an diesem Morgen befand, hing ein verblichenes Poster von Lissabon.

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