Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Neben Wein gehört Whisky zu den mit romantischen Vorstellungen überladenen Produkten. Für Fans der Spirituose aus Schottland hört sich deutscher Whisky daher gruselig an.

Schottland-Romantik

Zugegeben, auch ich gehöre zu den Menschen, die von einer möglicherweise verklärenden Schottland-Romantik befallen sind. Mir wird nicht nur vom Highland Single Malt warm ums Herz, sondern auch von schottischer Dudelsack-Musik. Bei den Landschaftsfotos von Highlands, Burgen und Glens schweifen meine Gedanken schnell ab in eine Art Traum-Schottland.

Dabei weiss ich es eigentlich besser, auch wenn die Erringung zeitbedingt immer weiter verblassen (höchste Eisenbahn, sie mal wieder aufzufrischen). Nach dem Abitur und Zivildienst war ich vier Wochen lang mit einem Freund in Schottland unterwegs. Auf dem Fahrrad fuhren wir von Newcastle rauf bis nach Inverness, von dort an der Westküste entlang über Fort William, Irvine und Dumfries. Dann ging es entlang am Hadrian’s Wall zurück nach Newcastle.

In den vier Wochen haben wir Land und Leute jenseits der üblichen Verklärung kennengelernt. Die Art der Fortbewegung führte zu vielen Begegnungen und häufig profitierten wir von einer herzlichen Gastfreundschaft. Whisky haben wir in der ganzen Zeit im Übrigen nicht getrunken.
Zurück in Deutschland blieben nehmen vielen Erinnerungen die Sehnsucht. Und der Glaube, sie ein Stück weit mit einem Schluck Whisky stillen zu können — aber nicht mehr mit billigem Fusel, der den Namen nur versehentlich trägt.

Whisky aus Deutschland

Ein Platz ohne Whisky

Heimischer Whisky

So mit Erinnerungen und Emotionen aufgeladen kann man sich zunächst schwer vorstellen, dass es auch noch andere Länder gibt, die guten Whisky machen — das Zeug aus den USA schreibt sich anders, nämlich Whiskey und es wird zur Herstellung anderes Getreide verwendet.

Kommen wir zu dem, was in Deutschland produziert wird. Im Land von Bier, Korn und Erinnerungen an schlechten Weißwein. Als ich zum ersten Mal davon hörte, dass hier auch mein Lieblingsdrink aus Schottland produziert wird, kam mir das wie ein schlechte Scherz vor.
Zwischen dieser ersten Einschätzung und dem Artikel im Handel am vergangenen Samstag „Whisky aus Deutschland wird immer beliebter“ liegen allerdings ein paar Jahre und erste Erfahrungen mit dem, was hierzulande produziert wird.
Das Wichtigste muss meiner Meinung nach dabei vorher Kopf passieren. Kein Blindtasting, sondern ein bewusster Abschied von Romantik, die nur dem Marketing dient. Machen wir uns zudem nichts vor, die meisten Brennereien in Schottland gehören ehedem Konzernen.

Meine Frau und ich stießen vor zwei Jahren zufällig vor Weihnachten bei Manufactum in Köln auf einen deutschen Whisky namens finch. Der wird in den schwäbischen Highland hergestellt. Allein daran zu riechen überzeugte mich auf Anhieb. Die jahrelange Skepsis verflog. Klar mag ich auch noch Single Malts aus Schottland. Es müssen aber keine Abfüllung von längst geschlossene Brennereien wie Port Ellen sein, die zu astronomischen Preisen gehandelt werden. Geschmack, das sieht man an dem Whisky aus Deutschland, kann auch erschwinglich sein. Und die Vorstellung von schwäbischen Higlands gefällt mir auf jeden Fall.

3 Kommentare

  1. Schöner Artikel! Natürlich hat Scotch Whisky einfach die längere Tradition und deshalb auch mehr Fans. Durch die längere Historie sind auch viele Single Malts aus Schottland einfach für viele Jahre im Fass gereift und komplexer, als es ein vergleichsweise junger Whisky aus Deutschland sein kann. Auch fließt die Erfahrung bei der Herstellung natürlich mit ein, die schottischen Destillerien können aus einem größeren Fassbestand ihre Whiskys komponieren usw. Das heißt nicht, dass Whiskys aus Deutschland per se schlechter sind, aber sie sind eben anders und man muss sich auf sie einlassen. Finch klingt nach einem guten Tipp, den ich unbedingt auch mal probieren muss!

    Viele Grüße
    Lukas

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