Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Eine weitgehendes Werbeverbot für Süßigkeiten ist alles andere als Käse. Herstelle legen jedoch ein Veto ein.

Nutri-Score als Mogelpackung

Bunte Skalen sollen uns Verbraucher helfen, bestimmte Dinge schnell besser einschätzen zu können. Aktuell werden wohl viele von uns auf die Energieeffizienzklasse ihrer Heizungsanlage schauen, während im Bundestag das Gebäudeenergiegesetz diskutiert wird. Persönlich schaue ich derzeit ziemlich genau auf die Energieeffizienzklasse andere Immobilien — aus Gründen. Dazu aber zu gegebener Zeit mehr.

Für mich ohne Belang dagegen ist der Nutri-Score auf Lebensmitteln. Beim ZDF gibt es eine Reihe von Informationen zum Thema, etwa den sehr erstaunlichen Beitrag von Sebastian Lege über den Nutri-Score von Tiefkühlpizzen. Machen wir uns nichts vor, eine TK-Pizza ist Convenience Food, aber keine wirklich gesunde Mahlzeit. Dennoch gibt es von einem bekannten, zu Nestlé gehörenden Hersteller, eine TK-Pizza mit Spinat mit einem Nutri-Score von A.

Zum Vergleich: Die Bio-Vollmilch bei mir im Kühlschrank hat einen Nutri-Score von C — finde den Fehler. Da ich mich schon seit über 30 Jahren mit dem Thema Ernährung beschäftige, bin ich wohl nicht der typische Verbraucher und kann klar differenzieren. Es müsste aber auch anderen klar sein, dass unabhängig vom Nutri-Score stark verarbeitete Nahrungsmittel anders zu beurteilen sind als möglichst naturbelassene Lebensmittel.

Im Zweifelsfall hilft oft ein Blick auf die Inhaltsstoffe. Faustregel hier: Das, was weiter vorne in der Liste steht, ist auch prozentual stärker im Produkt enthalten.

Werbeverbot für Süßigkeiten

Um überhaupt etwas mit den Inhaltsstoffen anfangen zu können, ist eine gewisse Kompetenz erforderlich, die bei Kindern in der Regel nicht vorhanden ist. Je nach Elternhaus fehlt ihnen auch das Bewusstsein für die Schädlichkeit bestimmter Produkte. Die größte Gefahr geht hier nicht von Tiefkühlpizza aus, sondern von Süßigkeiten. Genau genommen sind Süßigkeiten keine Lebensmittel, sondern potenzielle Suchtmittel.

Nicht wenige meiner Generation kennen es aus ihrer Kindheit. Süßigkeiten gab es zu besondere Anlässe und oft auch als Belohnung oder Trost. Da die Hauptzutat der wohl allermeisten Süßigkeiten Zucker ist, führt das zu einer fatalen Prägung. Wir nehmen Zucker zu uns, um uns zu trösten oder zu belohnen. Damit das nicht so auffällt, wird der Zucker nett verpackt und beworben. Sportlich-fit als Schokolade mit Joghurt, als Riegel für Kinder oder als Verpackung für ein kleines Spielzeug.

Für die Industrie sind Süßigkeiten ein lukratives Geschäft auf Kosten der Gesundheit. Aktuell gelten rund 15 Prozent der Kinder in Deutschland als übergewichtig, Tendenz steigend. Das von Bundesernährungsminister Cem Özdemir angestrebte Gesetz zur Einschränkung der Werbung für gesundheitsschädliche Lebensmittel ist daher ein wichtiger Schritt, gefällt natürlich denen nicht, die vom Verkauf der Süßigkeiten profitieren.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

DSGVO Cookie Consent mit Real Cookie Banner