Von allen guten und bösen Geistern verlassen

In Emden ist Kultur in etwa so häufig vertreten wie Winter mit Schnee. Man freut sich selbst auf Lesungen aus einem Thriller.

Mär von der Steuer

Wer in Emden Kultur möchte, sollte in den Supermarkt zu den Milchprodukten gehen. Meine Frau findet diese Aussage „etwas“ gemein. Meiner Meinung nach war streckenweise selbst in dem Kaff, wo ich geboren wurde, mehr los. Aber gut, auch ich hab mal einen schlechten Tag und ziehe dann über Städte her, bei denen sich auf sogenannten „Hafenfesten“ die immergleichen Schausteller und Buden zeigen.

Bin ich schlecht gelaunt? Möglicherweise ist das Essen von gestern Abend schuld. Essen gehen in Emden, das ist in etwa vergleichbar mit dem Thema Kultur. Vor einer Lesung (dazu später mehr) wollten wir aus Gründen der Bequemlichkeit auswärts essen. Satt sind wir geworden. Dennoch bleibt ein Beigeschmack. Wie die Ostfriesen-Zeitung berichtet, sollen Restaurants ab kommenden Januar wieder 19 statt 7 Prozent Mehrwertsteuer abführen. Der Deutscher Hotel- und Gaststättenverband befürchtet Schließungen. Mal abgesehen davon, dass das dann Marktbereinigung wäre, habe ich als Gast nichts bemerkt von derzeit 7 Prozent Mehrwertsteuer. Mit anderen Worten, man hat Restaurants subventioniert.

Damit könnte ich leben, wenn es denn gute Restaurants wären. Dem war aber etwa gestern Abend am Neumarkt nicht so. Von guten Burger-Brätern kenne ich es, dass man gefragt wird, ob man den Burger lieber medium oder durch haben möchte. Oder steht auf der Karte, dass der Burger medium serviert wird. Wenn das Ding so trocken durch ist wie ein Sack Zement, dann aus Gründen.

Lesungen treffen auf Kultur

Tiefkühlware muss durchgebraten werden. Ergo kann man davon ausgehen, dass der servierte Burger nicht frisch geformt und zubereitet wurde. Darüber hinaus ist Aioli natürlich nicht fertige Mayonnaise mit Knoblauch verrührt. Immerhin standen die Zutaten auf der Karte, sodass man keine überzogenen Erwartungen hatte. Flaschenbier einer Stralsunder Brauerei zum Preis von sechs Flaschen aus dem Supermarkt ist auch etwas, was ich leicht frech finde. Aber gut, irgendwie müssen Familie, Personal und die Miete am Neumarkt ja bezahlt werden.

Hab ich jetzt eigentlich schon was zur Kultur gesagt? Nö, mich eher über die Unkultur der Restaurants ausgelassen, die Convenience-Produkte servieren. Natürlich ist mir klar, dass sich in Bezug auf Kultur das Angebot in Emden nicht Städten wie etwa Köln vergleichen lässt. Muss auch nicht und es war meiner Frau und mir auch vor dem Umzug klar.

Daher sind wir dann froh, wenn mal was angeboten wird, was auch unseren Interessen entspricht. Zum Beispiel eine Lesung eines ehemaligen Kollegen meiner Frau in einer Emder Buchhandlung. Lesungen sind für mich Kultur, obwohl man natürlich gerade im deutschsprachigen Raum gerne Unterscheidungen in der Literatur macht und das abwertet, was auch nur den Anschein von Unterhaltungsroman hat.

Präsentation ist alles

Kommen wir aber zur eigentlichen Lesung. Thriller sind nicht so mein Ding, was Krimis angeht, findet man hier in diesem Blog auch eine ganze Menge zum Thema. Persönlich bin ich bei Biografien und Sachbüchern gelandet, aktuell fasziniert mich „Looking for Trouble“ der Kriegsberichterstatterin Virginia Cowles.

Aber gut, wenn meine Frau den Autor kennt, kann man sich mal eine Lesung geben. Zumal das mit der Kultur — siehe oben. Unterhaltsam war das, was der Autor rund um die Lesung aus seinem Roman quasi aus dem Nähkästchen erzählte, auf jeden Fall. Zumal er Bühnenpräsenz hat, was nicht selbstverständlich ist. Ich erinnere mich da an eine Lesung in Köln von Volker Kutscher, die Ähnlichkeit mit dem oben erwähnte Burger hatte.

Die gelesenen Stellen aus dem Thriller gestern Abend — nun, jeder fängt mal an. Zudem ist es auch immer besser, anzufangen als immer nur zu sagen, man würde anfangen. Beim zum Schluss vorgelesenen Fantasy-Text (Stichwort Barde) würde ich empfehlen, lieber noch mal neu anzufangen. Das liegt wohl auch daran, dass ich durch die 10 Jahre in Köln und Kontakt mit der Literaturszene dort etwas andere Maßstäbe habe.

Wie dem auch sei, unterhaltsam war es insgesamt auf jeden Fall.

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