Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Unattraktive Innenstädte sind das Ergebnis jahrzehntelanger Fehlentscheidungen und einer Ausrichtung auf den Autoverkehr.

Böses Internet

Das ZDF Magazine Royal und Jan Böhmermann haben wieder zugeschlagen. Die Sendung vom vergangenen Freitag trug den Titel „Bummeln zwischen Beton und Nagelbrettern“. Es geht um das Sterben der deutschen Innenstädte. Eigentlich ein Dauerthema. Aus Sicht des Einzelhandels ist natürlich das böse Internet Schuld mit den vielen Onlinebestellungen. Das kann man freilich glauben. Oder aber der bitteren Wahrheit ins Gesicht schauen. Böhmermann bringt es ziemlich am Anfang auf den Punkt. Die meisten deutschen Innenstädte sind austauschbar. Die Fußgängerzonen ähneln sich in ihrer Trostlosigkeit erstaunlich.

Die ewig gleichen Geschäfte, oftmals geringe Aufenthaltsqualität, ausgerichtet an vermeintlichen Bedürfnissen aus der Vergangenheit. Häufig orientierten sich die Innenstädte an den Erfordernissen einer autogerechten Stadt. Hinzu kommt noch eine Gestaltung, die Menschen davon abhalten soll, irgendwo „herumzulungern.

Erstaunlich, wenn man eigentlich annimmt, die Stadt würde den Menschen gehören. Jan Böhmermann zeigt reale Maßnahmen, die meiner Meinung nach die Bezeichnung „menschenfeindlich“ verdient haben.

Innenstädte tragen im Prinzip selber Schuld daran, dass sie nicht mehr attraktiv sind — auch nicht mehr für Menschen, die in ihnen tatsächlich Geld ausgeben wollen. Meiner Meinung nach liegt hier auch ein politisches Versagen beziehungsweise Unfähigkeit in der städtischen Verwaltung vor.

Verelendung der Innenstädte

Häufiger habe ich schon angeführt, dass der Onlinehandel eher ein marginaler Faktor ist, wenn es um das Aussterben der Innenstädte geht. Fehlende Alleinstellungsmerkmale, Leerstände, Betonwüsten und Einkaufzentren auf der grünen Wiese. Hinzu kommt in größeren Städten noch die Gentrifizierung. Wenn eine Stadt nichts zu bieten hat, geht man auch nicht in ihr einkaufen.

Statt zu jammern, müsste man neue Konzepte entwickeln, um die Städte wieder zu einem lebenswerten Ort zu machen. Wichtige Aspekte sind hier unter anderem Verkehrsberuhigung, Ausrichtung an Fahrradfahrer und Fußgänger und Raum für Grünflächen.

Hin zu kommt auch die Notwendigkeit, wirklich lokale Geschäfte in der Innenstadt zu haben. Geschäfte, die es so in der Form nur in dieser oder jener Stadt gibt.

Je länger ich über das Thema nachdenke, desto deutlicher sehe ich, dass man an manchen Stellen nur mit sehr radikalen Mitteln eine Verbesserung erzielen kann. Nennen wir das Kind beim Namen. Abreißen und neu bauen. Die Fehler der Vergangenheit können nicht immer korrigiert werden.

Da das genauso unbequem und unbeliebt ist wie die andere Konzepte zur Verbesserung, erfolgt Flickschusterei, die zwar kurzfristig nett aussieht, aber die Probleme nicht lösen wird. Insofern ähnelt die Misere der Innenstädte ein Wenig an die Misere im Bildungssystem.

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