Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Eine der unglaubwürdigstenAusreden ist, angeblich von nichts gewusst zu haben. Unter was für Bedingungen Fleisch produziert wird, weiss oder ahnt zumindest jeder.

Falsche Wortwahl

Nur um den Einstieg für diesen Artikel in zwei Sätzen hinzubekommen, habe ich bewusst verkürzt und auch auf eine definitiv falsche Wortwahl zurückgegriffen. Fleisch wird nicht produziert, dass ist absolut unzutreffend. Es werden Produkte aus Fleisch hergestellt, aber Fleisch ist an sich Bestandteil eines lebendigen Wesens — oder eines Wesens, dass vormals lebendig war. Das schreibe ich als jemand, der weder vegan noch vegetarisch lebt. Meiner Meinung nach hat die Erkenntnis nichts mit Polemik zu tun, sondern entspricht schlicht der Wirklichkeit. Dazu muss man nicht auf einem Bauernhof aufgewachsen sein, selbst für Großstädter sollte es ersichtlich sein, woher das stammt, was sie möglicherweise sogar täglich essen.
Nur in dem wir Fleisch aus seinem Kontext lösen, ist vielen von uns überhaupt der Verzehr möglich. Weil sie nicht daran innert werden, woher das stammt, was sie gerade essen. Dennoch glaubt niemand, dass die Würstchen am Baum hängen. Auch bei beispielsweise Milch sollte man über das Kühlregal hinaus denken.

Fleisch und seine Quelle

yairventuraf / Pixabay

Fleisch und Bewusstsein

Wenn man gerade ein Schinkenbrot zum Frühstück verspeist, ist der Artikel in der Süddeutsche Zeitung von heute „Schlampereien im Schlachthof“ vielleicht nicht die beste Lektüre — oder aber gerade deshalb ideal. Ich jedenfalls hatte heute morgen beides. Zudem einen robusten Magen, denn beim lesen des Artikels in der SZ kann einem schon mal etwas flau werden. Für mich gilt aber das, was ich einleitende bereits gesagt habe. Eine Ausrede im Stil von „davon habe ich nichts gewusst“ kann ich mir nicht erlauben. Ziemlich genau weiss ich, wo Fleisch her kommt. Und das nicht erst seit gestern. Hausschlachtungen kenne ich aus meiner Kindheit. Tiere zu Lebzeiten zu streicheln und dann später zu essen, war für mich nie ein Widerspruch, sondern Teil des Lebens.
Es ist alles eine Frage des Bewusstseins. Massentierhaltung und anonyme Fleischproduktion ist meiner Meinung genau das, was zu den Missständen führt, zu dem jetzt auch die Süddeutsche Zeitung berichtet hat. Wie es in der „Fleischindustrie“ zugeht, erfährt man aber schon seit Jahren immer wieder. Dabei hilft die „Missiosnarbeit“ von Veganern meiner Meinung nach nicht viel, um einen Bewusstseinswandel herbeizuführen. Freilich habe ich selber keine Patentlösung, sondern kann mir lediglich ein paar Gedanken machen.

Verzicht ist keine Lösung

Über die Jahre hinweg habe ich in Bezug auf meinen persönlichen Fleischkonsum eine eigene Haltung entwickelt. Hinter mir liegt eine etwas längere Wegstrecke, die zur derzeitigen Position geführt hat — ob die endgültig ist, darauf möchte ich mich nicht festlegen. Zumindest ein Leben als konsequenter Ovo-Lacto-Vegetarier ist durchaus wieder vorstellbar. Fleisch macht nicht glücklich — aber auch denjenigen, der es isst, nicht besonders unglücklich. Ganz im Gegensatz zu den Tieren, von denen es stammt.
Einen radikalen Verzicht auf Fleisch (ich verwende hier den verkürzenden Begriff) halte ich für keine gute Lösung, auch der Verzicht auf andere von Tieren stammende Produkte ist meiner Meinung wenig sinnvoll. Ersatzprodukte schaffen in der Regel Probleme an anderer Stelle. Blödes Beispiel: wer auf Lederschuhe verzichtet und stattdessen Schuhe aus Kunststoff kauft, schadet in letzter Konsequenz der Umwelt. Eigentlich müsste man dann Holzschuhe tragen.
Die Missstände bei der Tötung von Tieren, die für uns zu Essen verarbeitet werden, sind eklatant. Hier ist auf der einen Seite die Politik gefragt, die strenge Kontrolle durchsetzen muss. Auf der anderen Seite sind aber auch wir als Verbraucher in der Pflicht. Wer ohne Bewusstsein für die Bedingungen Fleisch in sich hineinstopft, ist mit Schuld am unnötigen Leiden der Tiere. Dabei muss niemand verzichten. Ein großer Schritt wäre bereits, deutlich weniger Produkte zu essen, die auf dem Leid und Tod von Tieren basieren. Helfen würde es auch, an der Fleischtheke zu hinterfragen. In Erfahrung zu bringen, woher das Fleisch kommt und unter welchen Bedingungen das Tier gelebt hat und gestorben ist. Das sind wir den Tieren als Lebewesen schuldig.

Kreislauf des Lebens

Abschließend noch ein Gedanke zum Thema, um die Komplexität aufzuzeigen. Es gibt Zusammenhänge, die mir auch früher in meiner Zeit als Ovo-Lacto-Vegetarier nicht deutlich waren. Man fühlt sich großartig, weil man keine Tiere mehr isst. Milch, Käse und Eier aber sind ok. Dafür müssen aber auch Tiere gehalten werden. Das führt dann zu einem Dilemma, welches eine Leserin der Zeitschrift natur auf den Punkt brachte:

Wer Milch (Käse Quark, Joghurt) will, muss Kühe (also Rinder) züchten. Die Milchkuh muss einmal jährlich kalben, um Milch zu erzeugen. Jedes 2. Kalb ist ein Bulle.

Was passiert dann mit den Tieren, die im Prinzip nicht benötigt werden? Je mehr Menschen Käse satt Fleisch essen, desto mehr wird es davon dann geben. Einfache Antworten gibt es wohl kaum.

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