Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Italien ist nicht nur das Land der Espressomaschinen. Auch der Mikrocontroller Arduino hat seinen Ursprung in diesem Land.

Späte Berufung

Flapsig formuliert bin ich zum Arduino gekommen wie die Jungfrau zum Kind. Das ganze Thema ist für mich noch relativ neu, obwohl der Arduino selber Anfang 2005 in Italien das Licht der Welt erblickte. An mir ist das mit ihm verbunden Thema Mikrocontroller komplett vorbei gegangen. Warum das so ist, dafür gibt es eine Reihe von Gründen — was vermutlich auch einen eigenen Blogeintrag dazu rechtfertigen würde.

In der Kurzform geht die Erklärung wie folgt. Die Physik und ich haben uns vor Jahrzehnten getrennt, allerdings nicht im Guten. Ich beschäftigte mich dann lieber mit Informatik. Die Ironie dabei ist natürlich, dass die ohne Physik nicht existieren würde. Das aber nur am Rande.

Mit mir und der Physik fing eigentlich alles ganz gut an. Wir hatten eine intensive Beziehung, als ich als kleiner Junge einen Elektrokasten von Kosmos bekam. Die Spannung zwischen uns kam dann auf, als ich dem Physikunterricht in der Schule auf Grund einer wenig motivierenden Lehrkraft nicht mehr folgen konnte. Ihre Inkompetenz führte nicht nur zu Widerständen bei mir, sondern auch dafür, dass etwa das Thema Widerstände an mir Komplet vorbei ging. So was rächt sich, wie später zu sehen sein wird.

Einzug des Arduino

Obwohl ich immer mal wieder vom Arduino etwas mitbekam, auch vom Raspberry Pi (tatsächlich zwei völlig verschiedene Paar Schuhe), ließ mich das Thema kalt. Lag vermutlich auch an den traumatischen Erfahrungen im Physikunterricht — wenn man bedenkt, dass ich bis zur neunten Klasse mal als Berufswunsch Elektriker hatte.

Nun bin ich aber mit einer Frau verheiratet, die nicht nur Lehrerin an einem Gymnasium ist, sondern auch neben den Fächern Informatik, Bio und Mathe den übergreifenden MINT-Unterricht mitgestaltet. Enden vergangenen Jahres bekam die für MINT verantwortlichen Lehrer an ihrer Schule ein kleines Paket mit Hardware, um über den Einsatz im Unterricht zu entscheiden. Da meine Frau noch nicht auf der Verteilerliste stand, teilte sie sich mit einem Kollegen ein Paket. Er bekam den Raspberry Pi, sie den Calliope mini und den Arduino-Starter-Kit.

Turbulente Wochen bei uns zu Hause sorgten dafür, dass die beiden Mikrocontroller bei meiner Frau im Arbeitszimmer einfach nur rumlagen. Am Montag schnappte ich mir dann die beiden Sets. Zum einen, um meine Frau zu unterstützen und weil wir eigentlich beide Spaß an so was haben. Zum anderen auch sehr eigennützig, weil ich bei Thingverse über ein paar Projekte gestolpert war. So langsam gehen mir nämlich die Brettspiele aus, die eines Schachteleinsatzes bedürfen. Daher braucht der 3-D-Drucker Nachschub.

Erste Schritte im Neuland

Ganz ehrlich, für mich ist das Thema Mikrocontroller absolutes Neuland. Das hat aber den großen Vorteil, dass ich mich gut in die Lage von Schülerinnen und Schüler versetzen kann, die im Unterricht so ein Set in die Hand gedrückt bekommen und nicht nur damit was machen, sondern auch noch Spaß haben sollen.

Der Calliope sah auf den ersten Blick danach aus, bis ich versuchte, die ersten Schritte damit nachzuvollziehen. Entweder bin ich zu doof, oder aber die Anleitung des ach so hochgelobten Projektes ist mangelhaft. Erst durch einen Tipp (Calliope lässt sich auch mit dem Swift Playground auf dem iPad nutzen), kam ich überhaupt weiter. Eine Website mit der Mischung aus Deutschen und Englischen Erklärungen halte ich für den Schuleinsatz für unbrauchbar. Die Voraussetzung eines iPads, um einen einfacheren Zugang zum Calliope zu haben, finde ich auch ziemlich heftig.

In der Grundschule sehe ich den Calliope auch nicht aus einer ganzen Reihe von Gründen. Und ja, auf Grund meines Studiums (Lehramt Primarstufe) traue ich mir zu, das beurteilen zu können.

Wenn man mal begriffen, wie sich der Calliope über Bluetooth verbinden lässt, sind zumindest die Lektionen im Swift Playground super. Jedoch nichts für ungeduldige Naturen, denn man muss die Anweisungen wirklich genau lesen. Didaktisch ist das eher befriedigend bis ausreichend.

Unvollständig und teuer

Wenden wir uns aber dem Arduino zu. Im ersten Moment hörte sich das alles ganz toll an. Ein offenes System, mit dem sich ganz unterschiedliche Projekte realisieren lassen und wo die Grenzen zwischen Lernen und ernsthaften Anwendungen für Hobbybastler fließend sind. Das Arduino-Starter-Kit mit gedrucktem Handbuch sieht auch erst mal beeindruckend aus. Ganz so, wie mein damaliger Physikbaukasten. Auspacken und sofort loslegen, Schritt für Schritt geführt durch das Handbuch. Dachte ich zumindest, schließlich ist das Kit ja auch nicht gerade günstig (je nach Versender rund 87 Euro).

Beim Handbuch bilden Layout, Farbe und Schrift die erste Hürde. Eine Neun-Punkte-Schrift, der Willkommensten weiß auf knallig orangem Hintergrund. Selbst mit Brille kann ich das nicht konzentriert lesen. Aber gut, vielleicht ist das nur so eine altersbedingte Sache und hängt vom persönlichen Empfinden ab.

Bereits beim Zusammenbau stellte ich dann Abweichung von Anleitung und tatsächlicher Hardware fest. Möglicherweise ist das Handbuch doch etwas älter als die Teile im Karton. Warum man dann ein Bauteil so auf ein Stück Plastik klebt, dass auf der Rückseite ein größerer Streifen selbstklebende Folie offenbleibt und als Schmutzmagnet wirkt, wissen wohl nur die Entwickler.

Abbildung leider nur ähnlich

Kommen wir aber zum ersten Projekt in dem Starter-Kit beiliegendem Buch. Angesetzt dafür sind 30 Minuten. Es geht los mit einem recht einfachen Schaltkreis. Vor die LED soll ein Widerstand gesetzt werden. Warum, wird erst mal nicht erklärt. Der beschriebene 220 Ohm Widerstand konnte auch durch intensive Suche nicht im Karton gefunden werden. Fakt: Es gibt in gar nicht, man muss statt dessen einen blauen 220 Ohm Widerstand benutzen. Um das herauszufinden, überschritt ich schon die 30 Minuten für die gesamte Lektion.

Als ich diese erste Hürde genommen hatte, wollte ich dann Schaltkreis in Betrieb nehmen. Im Buch wird dazu der Arduino per USB an den Computer angeschlossen, um darüber mit Strom versorgt zu werden. Das finde ich bei so einem einfachen Experiment für etwas überzogen – zumal bei Änderungen am Schaltkreis die Verbindung wieder trennen muss, was auch umständlich ist.

Der Arduino lässt sich auch mittels einer 9 V-Batterie mit Strom versorgen. Im Unterschied zum Calliope enthält da Starter-Kit aber keine Batterien. Da ich das bereits wusste, hatte ich eine passende Batterie zur Hand. Allerdings endet der Batterieclip nicht in einem auf den Stromanschluss des Arduino passende Stecker, sonder man hat nur zwei lose Kabel. Erneute Recherche von 10 Minuten, dann wusste ich, dass ich den Arduino direkt über das Board mit Strom versorgen kann. Dazu muss der Plus-Pol (rotes Kabel) an den Vin Pin und der Minus-Pol (schwarzes Kabel) mit dem Pin GND verbunden werden. Das ist natürlich sehr wackelig, aber immerhin läuft es dann ohne Rechner.

Frust nach vierzig Minuten

Nach diesen im Endeffekt über 40 Minuten fühlte ich mich ziemlich gefrustet. Das Projekt hatte ich längst noch nicht abgeschlossen, zudem ganz viele Fragen im Kopf— auch die Sache mit den Widerständen damals aus dem Physikunterricht hatte mich mit all ihren Schrecken für mich wieder eingeholt.

Das, was ich bisher gesehen habe, lässt sich so nicht im Unterricht einsetzen. Für mich stellt sich an dieser Stelle auch die Frage, was das Ziel einer Unterrichtsreihe sein soll. Wenn es etwa überwiegend um die Programmierung geht, ist der Arduino der falsche Ansatz. Er wird erst dann sinnvoll, wenn man Physik und Informatik sinnvoll verbinden möchte. Hier wäre dann auch relevant, wie viele Unterrichtsstunde dafür eingeräumt werden. Von den ersten Schritten hin zu einem programmierbaren Roboter ist es ein ziemlich langer Weg.

Trotz der skizzierten Schwächen ist man bei Calliope schneller am Ziel und muss sich da erst mal nicht mit so was wie Widerständen herumschlagen. Ein ganz anderes Kaliber wäre der Raspberry Pi, den der ist ein ausgewachsener Computer. Für den benötigt man jedoch Bildschirm, Tastatur und Maus. Für die anderen beiden, Calliope und Arduino, letztendlich auch. Zudem auch noch einen Computer (oder ein iPad).

Preisfrage für Eltern

Spannend war gestern Abend dann die Diskussion zwischen meiner Frau und mir bezüglich der Anschaffung eines der Geräte für den Unterricht durch die Schülerinnen und Schüler. Aus Nordrhein-Westfalen weiß ich von einer Klasse, bei dem die Elternschaft den Einsatz des Calliope beschlossen hat, weil zuvor auch der Einsatz von iPads im Unterricht abgesegnet wurde. Beides wurde privat von den Eltern bezahlt.

Anschaffungen für den Unterricht sind kein neues Thema. Es gab immer schon Familien, wo so was locker aus der Portokasse bezahlt wird. Und andere, bei dem jede Investition wehtut und das Geld an anderer Stelle fehlt. Dazu kommen dann noch die „Schwankenden“, bei denen Preis und Nutzen ins Gleichgewicht gebracht werden muss. Mit anderen Worten, die Elternschaft von einer größeren Anschaffung für den Unterricht zu überzeugen, ist nicht einfach. Um so schwerer wird es, je größer das Missverhältnis zwischen Preis und Dauer der Unterrichtseinheit ist.

Durch den Lockdown und Homeschooling wissen wir, dass es mit der Computerausstattung zu Hause nicht immer zum Besten steht. Es gibt Kinder, die sich mit einem Smartphone behelfen müssen, um nicht ganz den Anschluss zu verlieren (manchmal verlaufen Initiativen zur flächendeckenden Ausstattungen wohl doch im Sande).

Priorität bei der Anschaffung

Je länger ich mich mit dem Thema beschäftigen, desto mehr Fragen tauchen bei mir auf. Privat werde ich mich aus Neugier mit dem Arduino beschäftigen. Ob er wirklich für den Einsatz im Unterricht meiner Frau geeignet ist, ist eine ganz andere Sache. Mittlerweile tendiere ich stark Richtung Raspberry Pi, weil dann nur noch Monitor und Tastatur fehlen, um zumindest ein Minimum an Ausstattung für zu Hause zu haben (und mit dem Raspberry Pi 400 fehlt nur noch der Monitor).

Für Schulen stellt neben der Frage nach der vorhandenen Ausstattung auch die, in welches Curriculum eines der drei Geräte eingesetzt werden kann. Zudem sollte es Lehrerinnen und Lehrer möglichst einfach gemacht werden, dass Wissen auch vermitteln zu können. Je höher die Hürde ist, die man selber überwinden muss, desto geringer die Bereitschaft, etwas im Unterricht einzusetzen.

Mögliche Alternative

Sofern es tatsächlich um die Kombination von Informatik und Physik geht, bin ich bei meinen Recherchen auf eine mögliche Alternative gestoßen: Raspberry Pi Pico

Der Raspberry Pi Pico ist ein Mikrocontroller, so wie der Arduino und der Calliope. Der reine Controller kostet rund 4 Euro. Dazu kommen noch diverse Bauteile und der Umstand, dass der Controller noch etwas Lötarbeit vor dem Einsatz benötigt.

Was mir auf Anhieb (auch wenn es derzeit nur in englischer Sprache verfügbar ist) sympathisch war, ist das Handbuch dazu „Get Started with MicroPython“, welches auch kostenlos als PDF zur Verfügung gestellt wird. Die Autoren Gareth Halfacree und Ben Everard haben ein didaktisch klug aufgebautes Werk abgeliefert, welches auch optisch ansprechend gestaltet ist.

Programmiert wird der Pico nicht nur mit C oder C++, sondern alternativ auch mit MicroPython. Eine gute Wahl, denn Python ist deutlich zugänglicher und lässt sich auch in anderen Zusammenhängen verwenden. Die Projekte im Buch werden alle mit MicroPython realisiert.

Man müsste an dieser Stelle mal zusammenrechnen, auf was für einen Preis man kommt, wenn man alle im Buch benötigten Komponenten kauft. Meine Vermutung liegt bei einem Wert von etwa 20 Euro. Im Vergleich zu allen anderen bereits besprochenen Lösungen ist das ziemlich günstig. Das Buch liegt wie erwähnt nur (derzeit) in Englisch vor, müsste also (in Teilen) für den Unterricht übersetzt werden und aber die Schülerinnen und Schüler arbeiten mit dem Original. Die Hürden beim Sprachverständnis (und ich war ähnlich wie in Physik auch in Englisch eine Niete, was wohl an derselben Lehrerin lag) sind nicht hoch.

Persönliches Fazit

Ein abschließendes Fazit an dieser Stelle kann ich nicht ziehen. Das Thema und die Auseinandersetzung damit sind für mich noch sehr neu. An dieser Stelle kann ich aber bereits ausschließen, dass es der letzte Artikel zum Arduino und anderen Möglichkeiten war. Dafür habe ich jetzt einfach Feuer gefangen und Spaß an der Beschäftigung damit gefunden.

Durch das Arduino-Buch werde ich mich durchkämpfen, dann aber schauen, was ich für den Raspberry Pi Pico alles benötige. Es juckt mir in den Fingern, da ein Kit selber zusammen zu stellen.

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