Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Das Kunst polarisiert, ist spätestens nach Fettklumpen in Zimmerecken kein Geheimnis mehr. Wie stark die Meinungen auseinander gehen können, zeigt die Aktion Deine Stele.

Worum es geht

Von langer Hand vorbereitet wurde gestern im thüringischen Bornhagen eine Art verkleinerte Version des Denkmals für die ermordeten Juden Europas enthüllt. Den meisten von uns wird die kleine Gemeinde (323 Einwohner) in Thüringen nicht sagen. Genau dort aber wohnt in einem Pfarrhaus der thüringische AfD-Vorsitzende Björn Höcke. Der zur Zeit beurlaubte Gymnasiallehrer steht innerhalb der bereits politischen rechten AfD ganz rechts außen. In der Vergangenheit ist er immer wieder unangenehm aufgefallen, etwa mit Sätze wie

Ich will, dass Deutschland nicht nur eine tausendjährige Vergangenheit hat. Ich will, dass Deutschland auch eine tausendjährige Zukunft hat.
auf einer Kundgebung im Oktober 2015

oder eben mit dem, was er bei einer Rede in Dresden über das Holocaust-Denkmal in Berlin sagte:

Wir Deutschen, also unser Volk, sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat
17. Januar 2017 in Dresden

Man muss sich solche Zitate ins Gedächtnis rufen. Nicht nur um zu sehen, wessen Geistes Kind Höcke ist, sondern auch welchen Bezug das Projekt Deine Stele herzustellen versucht. Die grotesk verzerrte Sichtweise von Höcke kann man als Demokrat nicht unwidersprochen stehen lassen. Einen Brandstifter darf man nicht tatenlos zusehen. Durch die Aktion soll auch die von den Nachwirkungen der Bundestagswahl betäubte Gesellschaft aufgerüttelt werden.

Das Projekt Deine Stele

Das Projekt Deine Stele

Deine Stele versus AfD

Mit Gegenwind für Deine Stele musste im Prinzip von Anfang an gerechnet werden. Das sich so jemand wie Höcke den Ausblick aus seinem Haus nicht einfach so politisch verstellen lässt, war klar. Auch, dass es zu massiven Protesten von Sympathisanten, AfD-Anhängern und Nazigesocks kommen würde. So kam es dann auch. Bei Protesten blieb es nicht, sondern es wird auch von gewalttätigen Übergriffen von Höcke-Mitarbeitern und Freunden auf Mitarbeiter und Journalisten berichtet. Dabei hielt sich die Polizei zunächst „vornehmen“ zurück — was gerade in Bundesländern wie Thüringen und Sachsen-Anhalt einen merkwürdigen Beigeschmack hat.
Persönlich bin ich, was das Projekt Deine Stele angeht, zwiegespalten. Auf der einen Seite halte ich die Aktion für richtig und wichtig. Man darf den Rechten nicht einfach das Feld überlassen, dass hat schon früher nicht funktioniert. Durch die Aktion wird auf jeden Fall ein blinder Fleck wieder beleuchtet. Allerdings, und da muss ich zum Teil auch Andrian Kreye in der Süddeutsche Zeitung Recht geben, ist das Ganze natürlich auch ein politisches Geschenk an die Afd. Man kann sich selber als Opfer stilisieren — wobei sich die berechtigte Frage stellt, wann denn die AfD sich nicht als Opfer fühlt. Jede Form der Kritik löst bei ihr immer den gleichen Reflex aus.

Was darf Kunst?

Wenn es nur um die AfD und ihren Rechtsaußen ginge, könnte man Deine Stele zweifelsfrei begrüßen als gelungenen Beitrag zur politischen Diskussion. Ganz so einfach ist das leider nicht. Das Zentrum für politische Schönheit (ZPS) wollte es bei der reinen Aufstellung eines Mahnmals nicht belassen. Bereits im Vorfeld fand eine Observierung von Björn Höcke statt. Auf dem vom ZPS für Deine Stele angemieteten Fläche wurden Videokameras installiert, die eine Liveüberwachung ermöglichten. Einer der Initiatoren, Philipp Ruch, vertritt den Standpunkt, man müsse gegen Nazis Nazimethoden anwenden. Nicht nur moralisch begibt man sich damit auf ganz dünnes Eis.
Aus diesem Grund lehnt wohl auch der Landesvorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Thüringen, Reinhard Schramm, das Projekt ab. Er spricht von „gut gemeint und schlecht gemacht“. Selbst bei so jemanden wie Höcke muss das Privatleben respektiert werden und seine Familie tabu bleiben.
Andrian Kreye stellte in der SZ die Frage, „ob das Denkmal für die ermordeten Juden Europas eine gute Vorlage für einen antifaschistischen Kalauer“ sei. Auch das gilt es bei der Bewertung des Projekts Deine Stele zu berücksichtigen. Wobei sich das wohlmöglich am einfachsten beantworten lässt. Kurt Tucholsky beantwortet seiner Zeit die Frage, was Satire dürfe beeindruckend klar: „Alles.“ Nun ist Satire zwar etwas anderes als Kunst, auch wenn in einigen Projekten die Grenzen eher fließend sind. Insofern darf Kunst auch wehtun und Grenzen überschreiten. Sie sollte aber keine Persönlichkeitsrechte verletzen.

2 Kommentare

  1. Es gab nicht nur Kritik von Rechts, sondern auch sehr viel Kritik aus der jüdischen Community. Bei dieser Aktion geht es mal wieder um alle, um die Rechten, um die Kämpfer dagegen. Nur nicht um die Holocaust-Opfer, an die das Denkmal eigentlich erinnern sollte. Dahingehend kann ich die Kritik sehr gut nachvollziehen.

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