Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Beim ersten Wahlduell zwischen Olaf Scholz und Friedrich Merz konnte man auf das Popcorn verzichten. Die Diskussion war trocken genug mit viel Füllmaterial.

Sachliches Wahlduell

Großer Gewinner des Wahlduells gestern Abend zwischen Bundeskanzler Olaf Scholz und seinem Herausforderer Friedrich Merz ist auf jeden Fall die Demokratie gewesen. Die Art und Weise des Umgangs miteinander, der bis auf wenige Spitzen von gegenseitigem Respekt geprägt war — wohltuend in einem bisher extrem überhitzen Wahlkampf. Es zeugt auch von guten Umgangsformen, dass sich die beiden Kontrahenten am Ende des Duells die Hand gegeben haben. Blicken wir auf den zurückliegenden Wahlkampf in den USA, ist so was schon eine kleine Sensation.

Die meisten Analysen nach dem Duell sehen Olaf Scholz mit leichtem Vorsprung. Man kann das alles auf inhaltlicher Ebene machen, wie es zum Beispiel die Süddeutsche Zeitung getan hat. Allerdings hatte das Wahlduell genau in dieser Hinsicht ein echtes Problem. Sowohl Scholz als auch Merz bedienten sich Zahlen und Fakten. Lediglich am Anfang zeigte Merz einen Anflug von Populismus, als er versuchte, auf emotionaler Ebene die Opfer von Aschaffenburg zu instrumentalisieren.

Der ansonsten sachliche Tonfall im Wahlduell, eingeschlossen die beiden Moderatorinnen, sorgte dafür, dass das Wahlduell eine gewisse Sperrigkeit aufwies. Anders gesagt, ohne ein gewisses Bildungsniveau blieb einem die gesamte Diskussion verschlossen. Ein ruhig geführte akademische Diskussion, bei der vermutlich einige Zuschauerinnen und Zuschauer inhaltlich abgehängt wurden.

Buddha Scholz

Man war sich im Wahlduelle nicht einig in seiner Einschätzung der Lösungen für Migration und Zurückweisung. Es mag sein, dass das Thema Migration viele Wählerinnen und Wähler beschäftigt. Mit der Hälfte der Sendezeit nahm es jedoch viel zu viel Raum ein, andere dringendere Probleme wurden nicht mal ansatzweise behandelt.

Bildungsnotstand, das Verfehlen des Klimaziels für 2030 oder aber die Entwicklungen die sich auf den Fortbestand der Europäischen Union auswirken — kein Wort davon. Was nach dem Abend hängen bleibt: Merz weiß nicht, wie er die künftigen Rüstungsausgaben finanzieren soll, will aber den Spitzensteuersatz senken. Scholz möchte 95 Prozent der Bevölkerung entlasten und einen Mindestlohn von 15 Euro. Beide stehen an der Seite der Ukraine, wenn auch mit etwas anderen Schwerpunkt. Die Äußerungen von US-Präsident Trump etwa den Gazastreifen zur „Riviera des Nahen Osten“ zu machen, halten beide für Unfug.

Auffällig im Wahlduell ist auf jeden Fall die Mimik von Scholz und Merz gewesen. Über weite Strecken wirkte Scholz wie ein Buddha aus der Großstadt. Mit seiner Gelassenheit perlten Vorwürfe an ihm ab. Etwa, wenn Merz erwähnt, die Grünen würden Flüchtlingen die Beträge auf den Bezahlkarten bar auszahlen.

Scholz merkt man zudem seine Regierungserfahrung an. Merz wirkt streckenweise so, wie der Streber aus der Oberstufe. Eine leicht linkische Körperhaltung, verschärft noch durch seine schlaksige Figur und seine Körpergröße. Streckenweise zog er merkwürdige Grimassen. Scholz hingegen souverän, dreht sich auch immer wieder Merz direkt zu. Oder verwendet seinen Zeigefinger, um die Moderation auf sich aufmerksam zu machen.

Wohl ein Unentschieden

Hat Merz gewonnen, hat Scholz gewonnen? Diese Frage nach dem Wahlduell ist eigentlich blödsinnig. Es gewinnt der, der die Wählerinnen und Wähler bis zum 23. Februar überzeugt. Der Gewinner muss dann am Ende noch einen Koalitionspartner finden. Das wird nicht die FDP sein, sondern möglicherweise die Partei desjenigen, mit dem man sich das Wahlduell geliefert hat.

Nach dem gestrigen Abend dämmert das vermutlich einigen Wählerinnen und Wählern, was aber nicht heißt, dass es ihnen gefällt. In der Hinsicht sind sie ganz bei Scholz und Merz, die auch nicht voneinander schwärmen.

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