Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Unsere Sucht nach Erdgas ist zerstörerisch für Umwelt und Gesellschaft. Genauso wie die Geringschätzung von Mitmenschen.

Bodyshaming als Trendsportart

Die Überschrift des heutigen Textes habe ich voller Absicht gewählt, ausgehend davon, mehr Aufmerksamkeit zu erregen. Bevor ich nämlich auf die Sache mit dem Erdgas vor Borkum eingehe, ein anderes Thema, welches mich extrem aufgeregt hat heute Morgen.

Kur noch mal zum Verständnis, wie ein Frühstück insbesondere im Hause Boley an einem Samstag so abläuft. Meine Frau und ich lese Zeitung, meistens unterschiedliche Artikel. Das führt zu wechselseitigen Unterbrechungen, wenn man auf etwas gestoßen ist, was man dem anderen erzählen oder vorlesen möchte. Ich für meinen Teil las in der Emder Zeitung etwas über das Erdgas vor Borkum und danach was über Spitzenküche in der Süddeutschen Zeitung (ich lese recht schnell). Währenddessen las meine Frau „Die Risikospielerin“, ein Interview mit Stefanie Reinsperger in der SZ.

In dem Interview dreht sich vieles um die Anfeindungen, die Reinsperger ausgesetzt ist, weil sie keine Modellmaße hat. Gleich am Anfang liest man von einer Theateraufführung von „Der zerbrochene Krug“, in der Reinsperger die Rolle der Eve spielte. Nach der Aufführung kamen zwei Frauen auf sie zu, um ihr mitzuteilen, sie sei nicht glaubhaft gewesen. Eine dicke Frau können nicht überzeugend ein Vergewaltigungsopfer darstellen. Das sei unglaubwürdig. Im Artikel geht es dann so weiter, immer wieder geht es um Menschen und das, was man auf Neudeutsch als Bodyshaming bezeichnet.

Ehrlich gesagt kotzt mich das an. Die Art und Weise, wie Menschen über andere urteilen, wie sie sich herausnehmen, Maßstäbe anzulegen, wie man zu sein hat. Eine Gesellschaft, in der man einer Politikerin wie Ricarda Lang die Kompetenz abspricht, weil sie nicht wie eine Barbie aussieht — ist das wirklich ein Land, in dem wir leben wollen?

Gier nach Erdgas

Kommen wir von der Gier, sich über andere zu erheben, zur Gier nach Erdgas. Auf Borkum protestierten gestern laut Emder Zeitung Umweltschutzverbände gegen die geplante Förderung von Erdgas vor Borkum. Wir alle wissen nicht erst seit dem Ukraine-Krieg von unserer selbstverschuldeten Gasabhängigkeit. Es ist eigentlich ganz egal, wo das Erdgas herkommt, es ist und bleibt eine schmutzige Form der Energieerzeugung. Daran festgehalten wurde bisher nur, weil Erdgas so schön billig war. Die Folgeschäden der Förderung gab es anderswo — etwa in der niederländischen Provinz Groningen.

Jetzt wäre der richtige Zeitpunkt (eigentlich falsch, man hätte es bereits viel früher machen müssen), um über einen Kurswechsel nachzudenken. Weg von fossilen Brennstoffen, massiver Ausbau regenerativer Energieerzeugung. Stattdessen erteilt man Freifahrtscheine zur weitere Naturzerstörung und lässt sich auch nicht von Begriffen wie „Weltkulturerbe Wattenmeer“ abschrecken.

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