Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Der Begriff der Gerechtigkeit erfordert ein gewisses Fingerspitzengefühl. Nicht immer ist das was gerecht erscheint auch tatsächlich gerecht.

Wurstmehrheit

Wenn es um das Thema Ernährung geht, ist eigentlich Fingerspitzengefühl gefragt. Eigentlich sollte man das Ganze wie Glauben und Religion behandeln.

Jeder soll nach seiner Façon selig werden
Friedrich der Große

Tun wir aber nicht, sondern zetteln einen Glaubenskrieg um Pflanzen oder Fleisch an. Gerade für Veganer geht es bei dem Thema um die Wurst. Wobei die Fleischesser auch zu extremen Positionen neigen und schnell das Gefühl bekommen, man wolle ihnen persönlich etwas wegnehmen. Laut einer YouGov-Studie isst die Mehrheit der Deutschen nach wie vor Fleisch. Fleischverzicht, so heißt es heute in der Emder Zeitung, muss man sich darüber hinaus auch leisten können.

Persönlich denke ich, dass wir an der Frage des Tierwohls nicht vorbeikommen. Wobei das keinen völligen Verzicht auf Fleisch bedeuten muss. Massentierhaltung ist nicht ok, aber Tierhaltung an sich nicht verwerflich. Teilweise ist sie sogar lebensnotwendig, wenn etwa hier in Ostfriesland die Schafe zur Deichpflege eingesetzt werden.

Für mich sind die Deichschafe ein gutes Beispiel, warum eine vegane Einstellung zu kurz greift. Aufeinander zu gehen, zuhören und Kompromisse finden — nicht nur in Ernährungsfragen wäre Fingerspitzengefühl gefragt. Ein ganz anderer Bericht in der EZ von heute macht mich ziemlich fassungslos.

Einsatz ohne Fingerspitzengefühl

Die EZ berichtet heute über ein Missverständnis mit teuren Folgen. Es geht um einen Einzelfall, aber es könnte jeden von uns treffen. Ohne Frage, Nachbarn, die sich um andere Nachbarn sorgen, auch wenn diese etwas weiter weg wohnen, sind gut. Niemand möchte in der Zeitung lesen, es sei wieder ein alleinstehender Mensch tot in seiner Wohnung aufgefunden worden, die nunmehr mumifizierte Leiche hätte dort monatelang herumgelegen.

Da ruft man dann doch lieber die Polizei an, wenn in der Wohnung einer Nachbarin über einen längeren Zeitraum kein Licht brennt. Gut, man hätte natürlich auch vorher im Haus und bei anderen Nachbarn klingeln können. Aber egal. Ziviles Engagement ist wichtig und lobenswert.

Die verständigte Polizei holte sich Hilfe bei der Feuerwehr zu Öffnung der Haustür einer Seniorin, bei der man mit dem Schlimmsten rechnet. Allerdings war die Frau nicht im anwesend, weil sie in Leer im Krankenhaus lag. Die Wohnung wurde nach der Öffnung mit neuen Schlössern versehen, die Rechnung dafür bekam die Seniorin dann zugestellt. Sie soll 280 Euro für den Einsatz zahlen. Obwohl laut Aussage ihres Schwiegersohns lediglich von Grundsicherung lebt.

Statt Fingerspitzengefühl zu beweisen, antwortete Oberbürgermeister Tim Kruithoff auf einen Brief des Schwiegersohns laut EZ wie folgt:

Würde neben der Türöffnung auch die anschließende Sicherung des Eigentums der Allgemeinheit zur Last gelegt, wäre auch das meines Erachtens nicht gerecht.
Tim Kruithoff  (Quelle: EZ, 14.01.2023)

So also muss die alte Dame die Kosten abstottern.

Einzelfälle abwägen

Ganz ehrlich, bei so viel Geld, was (siehe Trogstrecke) im öffentlichen Haushalt versickert, kommt es wirklich nicht auf 280 Euro an. Zumal die Frau keine Schuld trifft. Es wurde sogar direkte Nachbarn über ihre Abwesenheit informiert, die aber zum Zeitpunkt des Einsatzes im Urlaub waren. Niemand hat hier vorsätzlich falsch gehandelt. Insofern fände ich es daher gerecht, wenn die Allgemeinheit dafür aufkommt.

Und wenn es wirklich so knapp ist in der Emder Haushaltskasse, dann kann man ja mal wieder einen Blitzer aufstellen. Dann ist das Geld spätestens nach einem halben Tag drin.

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