Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Telefonzellen verschwinden endgültig

In Deutschland wird das Ende der Telefonzellen eingeläutet. Ein kleiner Nachruf für weniger als 30 Pfennig.

Ruf nicht an!

Kaum schreibt man einen Blogartikel über Nostalgie, gibt es tatsächlich zwei Ereignisse, die einen zurückblicken lassen. Zum einen hatte ich völlig verdrängt, was am Samstag im ZDF lief. Wobei ich wette, nichts verpasst zu haben. Nicht alle war früher besser. Es gab halt bestimmte (noch) Dinge nicht. Daher war es früher auch nicht so schlimm, wenn man 203 Minuten seiner Lebenszeit mit einer „Samstagabendshow“ vor dem Fernseher verbrachte.

Ja, ich bin mit „Wetten, dass..?“ aufgewachsen. Damals rauchten Erwachsen auch noch im Wohnzimmer in Anwesenheit der Kinder. Nein, ich will von dieser Show nichts mehr wissen. Wenn das so weiter geht, wird man Thomas Gottschalk vermutlich auch noch im Rollstuhl auf die Bühne schieben, damit er die Sendung moderiert.

Vergessen wir es einfach. Nicht vergessen dagegen möchte ich die Telefonzellen. Die erfüllen mich tatsächlich mit Nostalgie. Es macht mich daher sehr traurig, wenn diese ab heute endgültig aus Deutschland verschwinden. Der Münzeinwurf wurde laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung heute Morgen deaktiviert bei den noch verbliebenen 12.000 Fernsprechern. Viele davon haben längst nichts mehr mit Telefonzellen gemeinsam. Die Kartenzahlung wird Anfang 2023 abgeschaltet, dann erfolgt auch die Demontage.

Leere ohne Telefonzellen

Die wohl schönsten Telefonzellen stehen beziehungsweise standen, denn der Trend zur Demontage ist länderübergreifend, stehen in Großbritannien. An ein Erlebnis kann ich dort auch noch gut erinnern. Ein Tag im Schottland-Urlaub Anfang der 1990er Jahre, als der Regen so heftig wurde, dass wir mit den Fahrrädern einfach nicht mehr weiter kamen. Wir quetschten uns zu zweit in eine dieser roten Telefonzellen. Draußen prasselt der Regen gegen die Scheiben, die von unserem Atem beschlugen.

Es gibt aber auch andere Erinnerungen. Zerrissenen Telefonbücher, ein Geruch von Urin, Bier und Nikotin. Natürlich auch die zerkratzte Oberfläche rund um den Münzeinwurf, weil man viele die Münze daran rieben, wenn sie nicht angenommen wurde und einfach so durchfielen. Dazu noch die Werbung der Bundespost mit dem Spruch „Fass dich kurz!“. Das tat man schon allein deshalb, um wieder schnell an die frische Luft zu kommen.

Dreißig Pfennig kostete ein Anruf im Ortsnetz. Zumindest habe ich es noch so in Erinnerung. Wie viele Minuten man damit telefonieren konnte — keine Ahnung. Mit den Telefonzellen wird es wie mit vielen anderen verschwundenen Dinge sein. Das sie uns fehlen, werden wir erst merken, wenn sie verschwunden sind.

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