Es gibt einen Trend zu abschätzigen Kommentaren beim Thema politische Arbeit. Dahinter steckt auch ein merkwürdiges Demokratieverständnis.
Hass gegen Politiker
Eigentlich wollte ich heute über das Thema Energiepreise schreiben. Das wird jetzt bis morgen warten müssen, da mir gerade etwas anderes auf den Nägeln brennt. Es ist besser, über politische Arbeit und ihre Anerkennung hier im Blog zu schreiben als einen Kommentar zu einem Artikel der Emder Zeitung auf Facebook. Dort tummeln sich bereits einige andere Kommentare, bei denen mir die Galle hochkommt. Aber den Kampf dort könnte ich nicht gewinnen. Also bleibe ich lieber hier in meinem Sandkasten.
Auf der Titelseite bereits findet sich in der heutigen Ausgabe der Emder Zeitung der Artikel „Politiker streiten um mehr Geld für die Ratsarbeit“. Man muss hier wirklich über wenig Fantasie verfügen, um zu wissen, was so ein Artikel für Kommentare nach sich ziehen wird.
Eine kleine Auswahl:
Politiker alles Egoisten Hauptsache die eigenen Taschen vollstopfen! Würden die nach Leistungen bezahlt würden einige unter ner Brücke schlafen müssen!
Das sollten Sie lieber die älteren Menschen oder die gering verdiener zu kommen lassen das wäre eine gute Sache 👍👌aber nein die kriegen den Hals nicht voll genug 👎scheiß Politik
Mich eckelt die heutige Politik, egal auf welcher Ebene, einfach nur noch an. Wie lange wollen sich die Menschen das hier eigentlich noch gefallen lassen???
Wie schon so häufig finde ich es auch grundsätzlich falsch, dass sich die Emder Zeitung der Verantwortung entzieht und auf eine Moderation der Kommentare verzichtet.
Würdigt politische Arbeit!
Zugegeben, es werden zwei Reizwörter in der Überschrift der EZ verwendet. Streiten und mehr Geld, so was kommt nicht gut an. Vor allem dann, wenn der Sachverhalt unglücklich ist. CDU und SPD im Emder Rat wollten die Änderung der Entschädigungssatzung in der öffentlichen Finanzausschusssitzung behandeln. Das klingt tatsächlich nach einer heimlichen Erhöhung. Eine ungeschickte Herangehensweise oder aber möglicherweise der missglückte Versuch, genau die Diskussion zu verhindern, die jetzt entsteht.
Bevor ich versuche, den Sachverhalt aufzudröseln, schon mal eine Bemerkung vorweg. Politische Arbeit gibt es nicht zum Nulltarif. Die Ratsmitglieder verdienen eine angemessene Aufwandsentschädigung. Dieser Hass, der aus den Kommentaren spricht, ist für mich abstoßend. Anscheinend glaube diese Menschen tatsächlich, man würde politische Arbeit im Rat der Stadt Emden einfach so machen. Leute, das ist ein Ehrenamt und kostet Zeit und Nerven. Wenn es dafür keine Anerkennung, auch nicht finanziell gibt, wird das irgendwann niemand mehr machen wollen. Das wäre dann eine fatale Situation. Daher die dringende Bitte, die politische Arbeit anderer auch mal einfach zu würdigen.
Worum es wirklich geht
Zu dem Artikel der EZ auf der Titelseite gibt es noch einen weiteren auf Seite fünf, dem man vielleicht lesen sollte, bevor man auf Facebook Kommentare hinterlässt. Unter anderem geht es nämlich um die Verdienstausfallerstattung und der Verdienstpauschale. Die soll von 15 auf 30 Euro je Stunde erhöht werden. Die EZ schreibt dazu „Dabei geht es um einen Ausgleich für Firmen, die ihre Mitarbeiter für ihre ehrenamtliche Mandatstätigkeit während der Normalarbeitszeit zwischen 6 und 22 Uhr freistellen.“
Nichts mit Taschen vollstopfen. Ohne solche Verdienstausfallerstattungen würde man von ehrenamtlichen Politikern erwartet, dass sie für die Wahrnehmung von politischen Aufgaben auch noch auf einen Teil ihres Gehaltes verzichten, da sie während ihrer Arbeitszeit anderweitig beschäftigt sind. Man erwarte qualitativ hochwertieg politische Arbeit von anderen, die aber nichts kosten darf.
Zudem heißt es weiter, dass der Antrag bereits zweimal auf der Tagesordnung gestanden habe, ohne dass es von den anderen Fraktionen Kritik gegeben hätte. Es wirkt daher so, als würden Grüne, FDP, GfE und „Die Fraktion“ die Empörung nur vorschieben, um sich auf billige Art bei den Bürger:innen zu profilieren.
Reich werden durch Ehrenamt
Im Übrigen fand ich bei Facebook noch einen anderen Kommentar zu gleichen Artikel, diesmal von der OZ gepostet:
Also ich „arbeite“ für das Gemeinwohl für eine Aufwandsentschädigung von rund 3 Euro pro Stunde. Nach Steuern und Abgaben bleiben davon rund 170€ im Monat.
Davon lade ich meine Frau zweimal im Monat zum Essen ein.
Ich weiß nicht, was man jetzt in Emden bekommen soll. Aber meckern tun meistens die, die eh keinen Handschlag für andere tun…
Wolfram Wiese
Genau so was habe ich mir gedacht. Durch ehrenamtliche politische Arbeit wird niemand reich. Es stopft sich keiner die Taschen voll. Traurig, dass das bei den Bürger:innen nicht ankommt. Vielleicht wäre es mal so eine Idee bei der Emder Zeitung, über die politische Arbeit eine Mandatsträgers und seinen „Verdienst“ zu berichten.